Jäger der Schatten
hatte. Rom war verloren.
Andreas war entschlossen, diese Pracht neu entstehen zu lassen. Er war entschlossen zu beenden, was er begonnen hatte, gelobte, den Glanz Roms und die antike Kultur wieder aufleben zu lassen und damit etwas noch nie Dagewesenes zu erschaffen. Er hatte bereits den Kodex der Vampire umgeschrieben, um die menschliche Geschichte neu zu gestalten und die Menschheit mit dem Bewusstsein und den Werten der Blue Bloods zu erfüllen: mit dem Feiern der Kunst, des Lebens, der Schönheit und der Wahrheit. Er hatte dem Ganzen auch schon einen Namen gegeben: Renaissance.
Doch all sein Streben hielt ihn von ihr fern. Ihren Michael. Andreas. Cassius. Menes. Wie auch immer sein Name gewesen war, er hatte immer ihr gehört. Er war ihre Kraft, ihre Liebe, ihr Daseinsgrund. Sie würden gemeinsam gegen die neue Bedrohung kämpfen. Sie würde auf seine Rückkehr warten und ihn davon überzeugen, dass sie ihre verborgenen Feinde entlarven und herausfinden mussten, was das Symbol auf dem Arm des Red Bloods zu bedeuten hatte.
Zweiter Teil
14
Das Vipernnest
D er Begriff Selbstmitleid kam in Mimis Wortschatz nicht vor. Anstatt in dem Gefühl von Einsamkeit zu versinken, das sie verspürte, seit sie sowohl ihren Zwilling als auch ihre große Liebe verloren hatt e – zum ersten Mal in ihrem langen Leben waren das für sie zwei verschiedene Persone n –, lenkte sie sich mit ihren Aufgaben im Ältestenrat ab. Sie vergrub ihren Kummer und ihre Wut in der Arbeit und fand Trost darin, den Vorsitz der großen und einflussreichen Organisation zu führen.
Die alte Hexe Cordelia van Alen hatte die gegenwärtige Ära immer als »Vampirdämmerung« bezeichnet, als wäre ein schwerer Samtvorhang auf die Bühne gefallen und es sei Zeit für die Blue Bloods abzutreten.
Wenn tatsächlich das Ende der Blue Bloods bevorstand und damit auch ihr Ende, war das absolut unerträglich. Mimi hatte nicht unzählige Zyklen durchlebt, um so einsam zu enden, ohne Jack an ihrer Seite und ohne Kingsleys liebenswerte Arroganz, die sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
Mimi öffnete die Tür zu ihrem neuen Büro. Seitdem Forsyth Lewellyn als vermisst galt, hatte der Ältestenrat sich über einen neuen Regis Gedanken gemacht. Zu ihrer Überraschung war dabei ihr Name gefallen.
Eine Woche nach der geplatzten Hochzeit mit Jack hatten Ambrose Barlow, ein rüstiger Gentleman von einhundertundein Jahren, und Minerva Morgan, ein spitzzüngiges Mitglied des Ältestenrats und eine der besten Freundinnen Cordelia van Alans, sie vor der Schule abgepasst und sie deshalb unter Druck gesetzt. Mimi hatte sich geweigert, den Titel des Regis anzunehme n – da Charles vielleicht noch am Leben wa r –, aber sie hatte zugestimmt, die Position der Vorsitzenden zu übernehmen, den Ehrentitel des Ältestenrats während einer führungslosen Zeit.
Mimi ließ sich in den bequemen, ergonomischen Schreibtischstuhl fallen, den sie angefordert hatte, und rief die Datenbank des Komitees auf ihren Desktop. Es gab so viel zu tun: Sie musste die stärksten Komitee -Mitglieder identifizieren und für den Ältestenrat anwerben, die Venatoren beaufsichtigen und neues Blut in das Junior- Komitee aufnehmen. Die Liste ließ sich endlos fortsetzen. Forsyth hatte ein riesiges Chaos hinterlassen. Es schien, als hätte der Mann, während er den Vorsitz innehatte, an allem, nur nicht an den Belangen des Ältestenrats Interesse gehabt, und viele der untergeordneten Komitees , wie das Gesundheitsministerium, waren hoffnungslos unterbesetzt.
Apropos Forsyth: Es wusste auch niemand, wo Bliss abgeblieben war. Vermutlich waren die beiden zusammen untergetaucht.
Gut, dass sie die los waren! Nach Forsyth Lewellyns Verschwinden hatten die Venatoren Beweise dafür gefunden, dass Mimis Vorgänger ihren ärgsten Feind beherbergt hatte und dabei behilflich gewesen war, den Anschlag der Croatan auf die Kirche zu ermöglichen. Forsyth war der Verräter innerhalb des Ältestenrats gewesen, die Viper in ihrer Mitte.
Was Kingsley betraf, so konnte Mimi noch immer sein Gesicht vor sich sehen, bevor er in der Subvertio untergegangen war. Er hatte sie mit so viel Liebe in den Augen angesehen. Wo war er jetzt? War er noch am Leben? Würde sie ihn jemals wiedersehen? Wenn sie an ihn dachte, fand sie sich manchmal erst nach Stunden auf eine leere Stelle oder den blinkenden Mauszeiger auf ihrem Computerbildschirm starrend wieder, während der Schmerz in ihrem Herzen schrecklich wehtat.
Es gab nichts, wodurch
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