Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jäger der Schatten

Jäger der Schatten

Titel: Jäger der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa de la Cruz
Vom Netzwerk:
war zu schade, dass die Meetings auf unbestimmte Zeit abgesagt worden waren. Es wäre eine gute Möglichkeit gewesen, sich unter die Blue Bloods zu mischen, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Demin schaute in ihren Stundenplan. In der ersten Stunde hatte sie Die Seele des Selbst , ein geisteswissenschaftliches Wahlfach für die Schüler des Abschlussjahrgangs. Wer auch immer den Bildungsplan der Schule erstellt hatte, hatte mit Sicherheit eine Vorliebe für Alliterationen. Sie hatte wählen können zwischen Entscheidungen erörtern (Ethik), Bewegte Bewegung (Tanz) oder Von Barrieren zu Brücken (Englisch, zu Demins Überraschung). Was war aus dem herkömmlichen Geschichtsunterricht, Algebra oder Kunst geworden?
    Sie hatte sich für den ersten Kurs entschieden, weil drei ihrer Hauptverdächtigen sich dort eingeschrieben hatten. Sie setzte sich neben Francis Kernochan, den jeder nur Froggy nannte. Er war einer der beiden Jungen, die zuletzt gemeinsam mit Victoria auf Jamie Kips Party gesehen worden waren. Froggy wirkte allerdings nicht wie jemand, der ein schreckliches Geheimnis hütete. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht, Haare in einem bedauernswerten Orangeton und legte durch die krumme Haltung seiner runden Schultern ein lässiges Auftreten an den Tag. Was nicht viel bedeuten musste. Der Vampirjunge aus Guizhou, der zwei vierundzwanzigjährige Vertraute so lange ausgesaugt hatte, dass sie gestorben waren, hatte das Gesicht eines Engels gehabt.
    »Entschuldige bitte«, sagte sie, als ihre Tasche den Ellbogen eines Mädchens streifte, das auf der anderen Seite saß.
    »Sind das Essstäbchen?«, fragte das Mädchen.
    Demin sah auf und blickte in ein hübsches, von rotblonden Haaren eingerahmtes Gesicht, das sie aufmerksam musterte. Piper Crandall. Verdächtige Nummer zwei. Als Victorias beste Freundin hatte sie den stärksten Grund gehabt, Victoria etwas anzutun. Demins Erfahrung nach wünschten immer diejenigen den Opfern den Tod, die ihnen besonders nahestanden.
    »Das sieht so cool aus«, sagte Piper.
    »Danke.« Demins Hand wanderte reflexartig zu ihrem schwarzen Haar, das sie mit zwei eleganten Essstäbchen aus Sterling-Silber hochgesteckt hatte, der neueste Trend aus Schanghai. Es waren aber keine gewöhnlichen Essstäbchen. Sie waren vom Meister persönlich, von Alalbiel, geschmiedet worden. Wenn Demin sie zusammensteckte, wurden sie zu ihrem Schwert Ren Ci Sha Shou , Gnadentöter.
    »Mir gefällt deine Uhr«, sagte sie und zeigte auf Pipers Handgelenk. »Ist das ein klassisches Modell?«
    »Eine Cartier aus der Zeit, als Louis sie noch selbst angefertigt hat.« Piper lächelte. »Ist lustig, dass die Red Bloods denken, so etwas kann man nicht mit sich herumtragen. Ich habe diese Uhr schon seit mehr als zweihundert Jahren.«
    »Sie ist wunderschön«, sagte Demin. Sie wusste auch ohne die Gedankenkontrolle, dass der Weg zu einer Mädchenfreundschaft über Schmeicheleien führte. Warum sollte sie die Gedankenkontrolle benutzen, wenn es genügend Kenntnisse über die menschlichen und vampirischen Verhaltensweisen gab? Zu viele Wahrheitssucher waren faul geworden und deshalb abhängig von ihren telepathischen Kräften. Sie hatten die Fähigkeit verloren, ohne sie zu denken.
    »Vielleicht leihe ich sie dir irgendwann einmal aus. Aber nur, wenn du mir zeigst, wie ich mein Haar auch so hinbekomme«, sagte Piper.
    »Jederzeit gerne«, antwortete Demin. »Ich bin Demin Chen.« Als Teil ihrer Tarnung trug sie die angesagteste Mode. Ihr fiel auf, dass Piper ihre teure Handtasche anerkennend musterte.
    »Piper Crandall. Ich weiß, wer du bist. Wir haben eine Mitteilung aus dem Ältestenrat bekommen, dass du hierherwechselst. Wo wohnst du denn?«
    »Mein Onkel ist Venator. Er hat ein paar Zimmer an der Bleecker Street.«
    »Wie schrecklich.« Piper schüttelte den Kopf. »Sie haben das Gebäude nicht mehr renoviert sei t …«
    » … dem neunzehnten Jahrhundert«, beendeten sie den Satz im Chor.
    Piper lachte. »Dieses Haus ist mit Sicherheit so alt wie meine Uhr. Wenn es dir dort zu langweilig wird, kannst du bei mir abhängen. Wir haben TiVo. Ich wette, diese alten Säcke haben nicht mal einen Fernseher.«
    Ein vielversprechender Anfang, dachte Demin zufrieden. Sie nahm sich vor, nach ein paar Tagen nervtötender aber gewissenhafter Freundschaft mit Piper Crandal l – das übliche Klamottentauschen und über Jungs Tratsche n – der Sache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was auf Jamie Kips

Weitere Kostenlose Bücher