Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Tagen. Meirichs Leute befragten Inge Rovak und Rudi, deren Namen und Nummern in Nadines Festnetztelefon gespeichert waren.
Bermann rief an. Bin in einer Stunde da. Habt ihr was?
Nichts.
In dem Moment, als das Telefon erneut klingelte, entstand am Waldrand Bewegung. Einer der Bereitschaftspolizisten lief winkend auf das Feld.
»Frau Bonì«, sagte Graeve angespannt.
»Ich sehe es.« Sie hielt das Handy ans Ohr, während sie dem Kollegen der BePo entgegengingen.
»Bonì?«
»Ja.«
Ein Ermittler vom Dezernat OK, der Name sagte ihr vage etwas, Andi Bruckner, die Stimme hatte sie auch schon gehört, eine laute, aggressive Stimme. Bruckner saß in einem Taxi am Standplatz Schwabentor. Der Fahrer hatte Nadine auf dem Foto erkannt.
Vom Waldrand drangen Rufe an ihr Ohr. Der Kollege der BePo war stehengeblieben. Was er rief, verstand sie nicht.
»Was?«, schrie Graeve.
Sie beschleunigten ihre Schritte.
»Er hat sie am Sonntag gegen fünf vom Kagan zum Martinstor gefahren«, sagte Bruckner. »Ein Kerl hat sie begrüßt. Anfang zwanzig, halblange Haare, attraktiv. Surfertyp.«
Sie erinnerte sich an ein Foto auf Rohmuellers Listen. Serge, der Exfreund, sah wie ein Surfer aus.
»Kein Zweifel, dass es Nadine war?«
»Kein Zweifel. So eine Zuckerpuppe vergisst man nicht, sagt er.«
»Ruf Thomas Ilic an«, bat Louise und beendete die Verbindung.
Dann hatten sie den Kollegen der BePo erreicht, einen jungen Polizeiobermeister, der sich keuchend auf den Oberschenkeln abstützte. Wortlos deutete er hinter sich.
»Reden Sie doch, Mann!«, rief Graeve.
Sie hatten Eddie Holzners Leiche gefunden.
7
Eddie Holzner lag unter Ästen, Zweigen, Blättern im Uferdickicht am Altrhein. Nikes, lange Sporthose, langärmliges T-Shirt, weit aufgerissene Augen, am rechten Ohr verkrustetes Blut. Der linke Arm gebrochen, ein Knochen stand im rechten Winkel ab.
Ameisen, Würmer, Fliegen. Die Fäulnis hatte eingesetzt.
Eddie war geschlagen und gewürgt worden. Woran er am Ende gestorben war, musste der Rechtsmediziner klären.
Reglos starrte Louise auf die Leiche. Was auch immer Eddie Nadine hatte antun wollen oder angetan hatte, so durfte niemand sterben.
Nadine auf grauenhafte Weise misshandelt, Eddie brutal ermordet. Ein Täter ohne Hemmungen.
Weil, er hat mein Kind umgebracht …
Holzner?
Graeve, der sich neben die Leiche gekniet hatte, stand auf und sah sie an. Sie nickte, wandte sich den uniformierten Beamten zu. »Sucht weiter. So lange, bis ihr Nadine gefunden habt.«
Chervel war mit dem Boot gekommen, Bermann mit dem Hubschrauber. Zusammen mit Graeve standen sie am Ufer und sahen zu, wie Lubowitz und ein Technikerkollege den Fundort absuchten. Die ersten Spurentafeln leuchteten im Licht der tiefstehenden Sonne inmitten des Dickichts. Lubowitz fluchte. Auf Knien krochen sie durchs Unterholz.
Nach einer Weile trat Lubowitz zu ihnen. »Ist nicht hier passiert«, sagte er zu Graeve. Mit der Hand deutete er eine Linie vom Fundort zum Wasser an. »Er hat ihn vom Ufer rübergeschleppt.«
»Merde« , sagte Chervel. Sein Blick streifte Bermann, blieb auf Louise liegen. Wie immer waren die Augen gerötet, die Pupillen klein und müde. Sie mochte die Farbe seiner Augen, huskyblau. Trotz der Hitze trug er einen grauen Anzug und ein schwarzes Hemd.
Sie nickte leicht.
Wenn der Mörder Eddie am Ufer umgebracht hatte, waren die Franzosen fein raus. Wenn er ein Boot hatte, hingen sie mit drin. Das Boot konnte vom französischen Ufer über Breisach gekommen und dorthin zurückgekehrt sein.
Falls es nicht Holzner war.
»Wer spricht mit Rohmueller?«, fragte sie.
»Wenn Sie möchten, übernehme ich das«, sagte Graeve.
»Ist vielleicht besser.«
Graeve nickte.
»Holzner übernehme ich«, sagte Bermann.
»Wollen Sie dabei sein?«, fragte Graeve Louise.
»Natürlich.«
Bermann grinste.
»Einwände, Herr Bermann?«
»Keine. Neunzehn Uhr, komm nicht zu spät.«
Ein Boot der Wasserschutzpolizeistation Breisach legte an, brachte den Rechtsmediziner. Lubowitz nahm ihn in Empfang.
»Denkst du, Holzner war es?«, fragte Chervel Louise auf Französisch.
»Kein Wort, das ich nicht versteh«, sagte Bermann.
Für einen Moment herrschte Schweigen.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Louise auf Deutsch. Holzner war ein Choleriker. Er explodierte, und dann prügelte er. Aber dass er den eigenen Sohn auf diese Weise umbrachte? Dass er eine junge Frau quälte? Dazu gehörte Abgebrühtheit, Kälte, eine perverse Form von Intelligenz.
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