Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
den Stuhl fallen.
»Nichts sagen.« Müller grinste.
Bermann runzelte die Stirn. »Gar nicht.«
»Oh, oh, oh, da wollen wir mal vorsichtig sein«, sagte Müller.
»Wenn ich das kleine Arschloch in die Finger kriege!«, brüllte Holzner plötzlich.
»Nichts sagen.« Müller grinste.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Louise musterte Bermann, versuchte zu begreifen. Bermann sah nicht herüber.
Sie schaute zum Fenster, graues Abendlicht und ein blasser Mond, und in irgendeinem Lokal nicht allzu weit entfernt saß Ben Liebermann vor seinem Frühstück und machte sich Mut auf bessere Zeiten. Endlich, dachte sie, gab es wieder ein Privatleben, das diese Bezeichnung verdiente, und noch immer musste sie sich abends um sieben mit Menschen wie Holzner und Richard C. Müller herumschlagen. Mit Menschen wie Rolf Bermann, der trickste, manipulierte, verschwieg, obwohl er doch zu den Guten gehörte.
Bermann wandte sich Holzner zu, sagte, was Paragraph 136 StPO vor der ersten Vernehmung zu sagen verlangte, tätlicher Angriff und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, er könne, müsse sich aber nicht zur Beschuldigung äußern …
Von Mordverdacht sagte er nichts. Holzner war diesbezüglich offiziell kein Beschuldigter.
»Mein Mandant wurde provoziert«, sagte Müller empört.
»Und wie!«, brüllte Holzner, das Gesicht rot vor Wut.
»Rolf«, sagte Louise.
Bermann sah sie drohend an.
»Tust du es, oder tu ich es?«
»Was denn tun?«, fragte Müller.
»Sieben Scheißbullen vor meiner Tür!«, brüllte Holzner.
Bermann rieb sich mit den Fingerspitzen die Stirn.
Dann informierte er Holzner, dass sie Eddie gefunden hatten.
Draußen war es dunkel geworden, leichter Regen hatte eingesetzt. Seit Minuten hatte niemand etwas gesagt. In den Fensterscheiben sah Louise die Umrisse regloser Männer, Holzner, Müller, Bruckner. Bermann hatte sich zurückgelehnt, in seinem Gesicht arbeitete die Wut. Manchmal warf er ihr einen Blick zu, der Bände sprach.
Das Telefon klingelte, Bermann hob nicht ab.
»Wie?«, fragte Holzner.
»Das wissen wir noch nicht«, erwiderte Louise.
»Und wann?«
»Wahrscheinlich am Sonntagabend.«
Holzner nickte. Seine Beine hatten zu zittern begonnen. Er legte die Hände auf die Oberschenkel. »Deswegen ist das Arschloch nicht heimgekommen.«
»Sie verdächtigen ja wohl hoffentlich nicht meinen Mandanten«, sagte Müller.
Niemand erwiderte etwas.
Holzner sah Bermann an. »Hey, wie steht’s im Spiel?«
Bermann schnaubte. »Zur Pause zwei zu eins.«
»Zwei zu eins!« Holzner nickte wieder. Die Beine zitterten, die Arme zitterten, sein Gesicht glänzte vor Schweiß. »Wer hat für uns die Tore geschossen?«
»Podolski und Schweinsteiger.«
»Die Scheißpunker, schau an!« Dann schwieg er, saß da, zitternd und schwitzend. Das mit Eddie trau ich ihm zu, hatte Dennis gesagt. Das mit der Frau nicht.
»Wenn Sie meinen Mandanten des Mordes ver?…«, begann Müller.
Da stand Holzner abrupt auf. »Krieg ich einen Fernseher?«
Andi Bruckner trat vor ihn, die Hände zu Fäusten geballt, Müller sprang hoch, Chervel flüsterte: »Merde.«
Doch Holzner stand nur da, die Augen auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, und brüllte: »Ich will einen Fernseher!«
Müller tätschelte seinen Arm. Er war blass geworden. »Alles wird gut.«
»Ich glaub’s einfach nicht«, murmelte Bermann.
»Das kann doch nicht so schwer sein!«, schrie Holzner.
»Nein«, sagte Louise, »ist es nicht.«
Holzner hatte aufgehört zu zittern und zu brüllen. Schweigend saß er in der Großraumzelle, in der er die Nacht verbringen würde, und wartete. Louise wartete jenseits der Gitterstäbe mit ihm.
Gregori, der Pförtner, war auf der Suche nach einem Fernseher.
Natürlich war es schwer. Ein Fernseher für einen Verdächtigen? Sind wir das Müttergenesungswerk?, hatte Bruckner geflucht.
Die Vernehmung war auf den nächsten Morgen verschoben worden, dann würde Holzner auch dem Haftrichter vorgeführt werden, der entscheiden würde, ob er in Untersuchungshaft kam. Müller war gegangen, Chervel ebenfalls. Bermann bereitete die Soko-Besprechung vor, Bruckner informierte Hans Meirich und Thomas Ilic, der sich nicht mehr gemeldet hatte, vielleicht immer noch im Kagan saß und Bier trank und sich ärgerte, dass andere schneller arbeiteten.
Und Ben Liebermann … Sie sah auf die Uhr, kurz nach halb acht. Und Ben Liebermann saß vielleicht vor einer Tasse Espresso und fragte sich, was er da tat,
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