Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Weil doch das eine mal kaputt war. Da hat er gleich ein zweites gekauft.«
»Was für ein Auto, Frau Haberle?«, fragte Louise.
»Ich weiß nicht. Ich kenne mich mit Autos nicht aus.«
»Ein Jeep?«
Brigitte Haberle nickte.
Ein blauer Jeep.
16
Schutzpolizisten fanden den blauen Jeep mit dem Ersatzrad huckepack, einen dreitürigen Toyota Land Cruiser. Er stand in einem Forstweg unweit der Stelle, an der Dietmar Haberles Leiche entdeckt worden war. Louise ging davon aus, dass die Techniker darin Spuren von den Haberles sowie Nadine und mindestens zwei weiteren Personen feststellen würden. Fingerabdrücke, Haare, Hautpartikel, Kleidungsfasern. Was man in einem Wagen eben fand, in dem Entführer und Opfer gefahren waren. Selbst dann, wenn einer der Entführer Polizist war.
Die Leiche war abtransportiert worden. Kriminaltechniker und Ermittler waren auf dem Rückweg in die Polizeidirektion.
Inzwischen wussten sie, dass Haberle unmittelbar am Waldrand ermordet worden war, kaum zwanzig Meter von den Absperrbändern entfernt, mit denen Lubowitz den Pfad zum Fundort abgegrenzt hatte. Die Techniker hatten verwaschene Reste von Blut-, Reifen- und Schuheindruckspuren entdeckt. Zwei Autos, mindestens zwei Menschen. Der Jeep und ein anderer Wagen, Haberle und sein Mörder.
Louise stand mit Bermann am Tatort. Beide starrten auf die Spuren hinunter. Ein paar weitere Stunden Regen, und sie hätten nichts mehr gefunden.
Ein Anruf um Mitternacht. Ein Freund, Haberle ging aus dem Zimmer. Kurz darauf stieg er in den Jeep, fuhr ins Katzental hinunter. Ein Strategiegespräch unter Vergewaltigern? Panik?
Was hatten sie zu diesem Zeitpunkt gewusst?
Eddies Leiche entdeckt, Nadine seit Tagen verschwunden, möglicherweise in Sicherheit. Das hatten sie aus den Medien erfahren. Louise hätte an ihrer Stelle stillgehalten, sich im Alltag verkrochen, abgewartet. Der Mörder hatte nicht abgewartet. Er hatte Haberle getötet. Warum?
Wenn sie über Informationen aus der Ermittlungsakte verfügten, hatten sie um Mitternacht gewusst, dass die Kripo von mehr als einem Täter ausging, von Holzners Schuld nicht überzeugt war, nach einem blauen Jeep suchte – Haberles Wagen. Da konnte einer wie er schon in Panik geraten. Ein Mann, der ein furchtbares Familiengeheimnis mit sich herumschleppte und Frau und Tochter in einem Netz aus Kontrolle gefangen hielt. Die Fassade drohte zusammenzubrechen. Was da geschah, ließ sich nicht kontrollieren.
Ein Komplize, der in Panik geraten war, wurde zur Gefahr. Also musste Haberle sterben.
»Ich versteh nur nicht, warum sie sich jetzt gegenseitig umbringen«, sagte Bermann mehr zu sich selbst als zu ihr.
»Panik«, erwiderte sie.
»Haberle?«
Sie nickte. »Wir haben seinen Wagen gesucht.«
»Das wusste er nicht.«
Sie schwieg.
Bermann sah auf. »Das wusste er nicht, Louise«, wiederholte er geduldig, als hätte er zu einem Kind gesprochen. Oder zu einer durchgeknallten Säuferin.
»Warum dann?«
»Ich sag ja, ich versteh’s nicht.«
Dabei war es so einfach. Einfach und undenkbar.
Bermann telefonierte mit Alfons Hoffmann, ließ die Durchsuchung des Anwesens der Ettingers vorbereiten, deren roten Kombi zur Fahndung ausschreiben. Sie hatte sich abgewandt, sah über die im Sonnenlicht liegenden Hänge. Häusergiebel, versteckt hinter Bäumen und Hügelkuppen, Kühe auf den Weiden, ein Traktor, der langsam seine Runden drehte. In der Polizeidirektion trug Alfons Hoffmann Notizen in ein Spurenblatt ein. Roter Kombi. Durchsuchung bei den Ettingers. Auch was sie bei den Ettingers finden würden, käme in die Akte. Hinweise vielleicht auf Nadines Aufenthaltsort.
Der Polizist würde telefonieren, der Dritte losfahren.
»Nein«, sagte Bermann hinter ihr. »Aber wir haben seinen Laptop.«
Der Laptop war mit einem Passwort verschlüsselt. Brigitte Haberle kannte es nicht. Sie hatten es ein paar Minuten lang versucht. Natürlich nicht »Emily«, nicht »Brigitte«, nicht »Dietmar« oder »Horben«, natürlich keine Geburtsdaten.
Die Computerspezialisten würden es finden.
Außerdem hatte Brigitte Haberle ihnen drei Vornamen genannt – Markus, Bert, Micha, die »Freunde«. Nachnamen hatte ihr Mann nie erwähnt. Woher er die drei kannte, ob sie Kollegen waren, Freunde aus der Schule oder von der Uni, wusste sie nicht.
»Komm«, sagte Bermann.
Sie drehte sich um. Schweigend sahen sie sich an. Wieder ein Gedanke, der sich nicht greifen ließ. Etwas, das Bermann gesagt oder getan hatte. Das sie
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