Jäger in der Nacht: Kriminalroman (German Edition)
Möhlin passiert, bog links ein auf die schmale Straße nach Grezhausen. Vor ihr lag, verborgen hinter Wald, die Rheinebene, dahinter, am Fuß der Vogesen, Colmar.
»Kein Wort zu Sandy«, sagte sie. »Oder zu sonst irgendjemandem.«
»Habt ihr einen Verdacht?«
»Nein. Aber eher keiner vom D 11. Wahrscheinlich ist er in der Soko.«
»Andi Bruckner, wenn du mich fragst.«
»Nicht so laut , Illi.«
»Andi Bruckner«, wiederholte Thomas Ilic leise. »Ich recherchiere mal ein bisschen. Kenn da jemand in der Verwaltung, der mich in die Personalakte schauen lässt.«
»Nicht nur Bruckner, Illi, auch die anderen. Alle Männer, die in der Soko sind. Dann sehen wir weiter.«
»Auch D 11?«
»Auch D 11. Aber pass auf. Versprochen?«
»Da ist Sandy.«
»Versprochen, Illi?«
»Ja, ja, versprochen. Mein Gott, kannst du lästig sein.«
Manchmal, dachte sie, war lästig ja vielleicht ganz gut.
18
Zwei breisacher Schutzpolizisten, einer alt und schlank, einer jung und dick. Für einen Moment wurden Erinnerungen wach, Hollerer und Niksch aus Liebau im Glottertal, nur war es da umgekehrt gewesen, der Alte dick, der Junge schlank. Zwei, die ihr geholfen hatten, und das war oft gefährlich. Hollerer war schwer verletzt worden, Niksch war erschossen worden. Die Kehrseite der Medaille. Wer sich auf sie einließ, auf ihre Methoden, begab sich in Gefahr. Das musste man wissen.
Die Breisacher schienen es zu wissen. »Bonì«, sagte der Alte gedehnt, als sie zu ihnen trat.
Der Streifenwagen stand ein paar Meter neben dem Tor zum Hof der Ettingers. Die Breisacher saßen darin, die Türen halb geöffnet. Jetzt stiegen sie aus.
»Niemand gegangen, niemand gekommen«, sagte der Alte, ein Polizeihauptmeister.
Sie waren seit einer halben Stunde hier. Der Junge, ein Polizeiobermeister, sagte, er sei »vorhin« mal um das Anwesen herumgelaufen.
»Und?«
Er zuckte die Achseln. Das hieß auf Breisacherisch wohl: nichts.
Sie gingen zum Tor. Das kleine Haus unter den Bäumen, diesmal drang Sonnenlicht durchs Blattwerk, ließ das Gebäude nicht mehr ganz so abweisend wirken. Schweigend schauten sie durch die Gitterstäbe. Louise hörte den Wind durch die Blätter streifen, Zweige schlugen gegeneinander. Plötzlich lag ein merkwürdiger Geruch in der Luft. Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, woher er kam. Der alte Breisacher Kollege roch nach Müdigkeit, Gebrechlichkeit, Krankheit.
Sie sah auf den Namen an seiner Brust. P. Oertel. Normalerweise fand sich nur der Nachname aufgedruckt. Die Breisacher mussten mehrere Oertels im Revier haben. »Wofür steht das ›P‹?«
»›Pensionierung in Sicht‹«, erwiderte der junge Kollege.
»Paul«, sagte Oertel kichernd.
Sie wandte sich dem Jungen zu. S. Barth. Offenbar gab es auch mehrere Barths da oben im Revier am Rhein. »Und das ›S‹?«
»›Scheiß die Wand an‹«, sagte Oertel.
Jetzt kicherten beide.
»Der Dicke heißt Simon«, sagte Oertel.
»P. und S.«, sagte Simon. »Zusammen PS. Wie Pferdestärken.« Es klang stolz.
Sie blickten wieder auf das Haus.
»Friedlicher Ort, was?«, murmelte Oertel.
Louise nickte.
Da begriff sie. »Der Hund.«
»Was für ein Hund?«, fragte Simon.
Sie rüttelte an den beiden Torflügeln, die aneinander schabten, in den Scharnieren quietschten – kein Gebell, kein Hund. Sie legte den Finger auf die Klingel. Das Läuten in der Ferne. Aber auch jetzt schlug der Hund nicht an.
»Was denn für ein Hund?«, wiederholte Simon.
»Bonì«, sagte Paul Oertel seufzend, als sie den Fuß auf die erste Querstrebe setzte.
»Ihr bleibt hier.«
»Scheiß die Wand an«, sagte Simon, »ich würde da sowieso nicht rüberkommen.«
Sie sprang auf der anderen Seite zu Boden, richtete sich rasch auf, zog die Waffe. Oertel und Simon blickten sie durch die Gitterstäbe wortlos an.
Simon verstand zuerst. »Ist da einer von den Straftätern drin?«
»Keine Ahnung. Auf jeden Fall bleibt ihr hier.«
Langsam ging sie auf das Haus zu. Simon sagte etwas, aber sie reagierte nicht. Der Wind in den Blättern, Zweige schlugen gegen Zweige, ihre leisen Schritte, sonst nichts, kein Bellen, keine Bewegung.
Die Hundehütte links vom Gebäude. Die Kette gespannt auf dem Boden, zwischen den Bäumen hindurch in Richtung Mauer führend. Jetzt sah sie den Hund, er lag zehn, zwölf Meter von ihr entfernt am Boden.
Die Haustür geschlossen, hinter den Fenstern rührte sich nichts.
Im Schutz der Bäume lief sie auf die Rückseite des Hauses. Die Küchentür, durch
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