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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
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wie sie oft annimmt.
    Der dunkle Regen klatscht gegen ihre Windschutzscheibe. Die Scheibenwischer verschmieren Staub und Drek auf dem Plastiglas, bis ein schaumiges Zeug aus den Wischerblättern spritzt und alles abwäscht.
    Schließlich nähert sie sich einer Ausfahrt. Tikki ignoriert das Schild und fährt ab. Es ist Zeit für einen Anruf.
    Sie fährt jetzt einen Jackrabbit mit Benzinmotor, jedes dritte oder vierte Auto auf der Straße ist ein Jackrabbit. Das ist ein Vorteil. Es ist eine gute Deckung, gute Tarnung.
    Zwei Kilometer weiter stößt sie auf eine NewPac- Tankstelle. Mit dem Kredstab, den sie dem Amerindianer in Maine abgenommen hat, kauft sie etwas zu essen, Benzin und Sprechzeit an einem Telekom. Das Personal im Laden und an den Zapfsäulen sitzt in gepanzerten Häuschen. Sie ist nicht mehr weit vom Sprawl entfernt, na schön. Ganz und gar nicht mehr weit.
    Auf dem Telekomschirm läuft ein Werbespot für kybernetische Systeme von Fuchi, während die Verbindung hergestellt wird.
    Eine männliche Stimme antwortet. »Kennwort.«
    »Steel.«
    »Wer will ihn sprechen?«
    »Wer fragt?«
    Minuten verstreichen. Tikki wartet. Sie weiß, warum es so lange dauert, und muß sich zusammenreißen, um ihre Ungeduld zu bezähmen. Die Stimme, die schließ- lich ertönt, ist ein krächzendes Flüstern, ein unmenschlich heiseres Raspeln. »Du brichst das Protokoll.«
    »Geschenkt«, faucht Tikki.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung ist unter dem Namen Steel bekannt. Sein wirklicher Name ist Castillano. Er war früher einmal eine emstzunehmende Figur in der Seattler Unterwelt. Jetzt ist er an mehr als nur einem Ort eine emstzunehmende Figur, und er mag es nicht, wenn man ihn anfaucht.
    »Problem?« raspelt er.
    »Dein Mann hat mich verkauft.«
    Schweigen. »Dann bin ich dir was schuldig.«
    »Du bist mir eine Menge schuldig.« Der Diebstahl ihres Jungen läßt sich nicht so leicht aus der Welt schaffen. »Man hat mir etwas weggenommen. Ich hole es mir zurück. Ich bin wieder auf der Jagd. Mensch.«
    Wiederum herrscht Schweigen. Castillano versteht zweifellos, was sie mit Jagd meint. Bei ihrem letzten Gespräch hat sie darüber geredet, sich eventuell aus dem Geschäft zurückzuziehen. Zweibeiner machen die Dinge zu kompliziert, und es gab Dinge, über die sie nachdenken mußte: ihr Junges, ihr Leben. Was alles zu bedeuten hat. Aber die Elfen haben das geändert. Vielleicht zieht sie sich ein für allemal aus dem Geschäft zurück, sobald das hier vorbei ist, aber bis dahin ist sie wieder darin, und zwar so tief und lange wie nötig.
    Castillano sagt: »Was willst du?«
    »Einen Namen. Ich brauche Sachen.«
    »Welche Gegend?«
    »Boston.«
    Er nennt einen Namen, eine Quelle für das, was sie braucht. Castillano sagt zu, die Quelle von ihrer bevorstehenden Ankunft zu unterrichten. Das ist nicht einmal die Hälfte dessen wert, was er ihr schuldig ist, aber für den Anfang reicht es.
    Zwei Stunden später parkt sie in einem Slum in der Nähe des Norwood-Flughafens und geht durch die Tür eines Ladens namens Vung Tau. Es riecht nach Shrimps und Gewürzen. Das Innere ist düster, der Boden abgetreten. An der rechten Wand verläuft eine Bar mit Hockern davor, links befinden sich Nischen. Der Ork hinter der Bar gönnt Tikki kaum einen Blick. Die kleine Gruppe in der letzten Nische gibt vor, sie zu ignorieren: zwei Männer, drei Frauen. Sie riechen nach Unzufriedenheit. Sie tragen Satin und Kunstleder und sehen vietnamesisch aus.
    »Wer ist Thuy?« fragt Tikki.
    Eine der Frauen antwortet. Die Erwiderung ist kurz und könnte Vietnamesisch sein. Der Tonfall ist aggressiv. Arrogant. Die Frau sieht stark aus, halsstarrig, kampfbereit. Tikki ist nicht beeindruckt.
    Sie versucht es auf Koreanisch. »Wer ist Thuy?«
    Die Frau sagt mit markiger Stimme: »Wer schickt dich?«
    »Steel.«
    »Woher kennst du Steel?«
    Eine ziemlich dreiste Frage. Dieser Zweibeiner, diese Person, Thuy, hat offenbar keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hat. Sie beweist es einen Augenblick später, indem sie einen der Männer ansieht, der sich erhebt und Tikki zuwendet. Dies wird keine freundliche Begrüßung, das riecht Tikki. Der Mann geht auf sie zu. Cyberdomen gleiten aus seinen Armen und knacken leise, als sie in Position sind. Das ist so ärgerlich, daß ihr Instinkt hervortritt. Im nächsten Augenblick bearbeitet sie den Mann mit den Fäusten und stößt ihm ihr Knie in den Magen.
    Der Mann sackt zusammen, fällt blutend und keuchend zu Boden und

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