Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nyx Smith
Vom Netzwerk:
sitzt mit untergeschlagenen Beinen da und blickt von der Mitte seines Medizinzelts aus in den Astralraum. Seit vielen Stunden überlegt er, was er tun soll, und versucht sich vorzustellen, was auf ihn zukommt, um entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Der Zeitpunkt ist gekommen, um anzufangen. Er erhebt sich mit dem Rauch, löst sich aus seinem Körper, verläßt die Grenzen seines Medizinzelts und schwebt dann durch die dunkle Substanz des Hauses, das ihn umgibt. Er kommt im astralen Zwielicht im hinteren Teil des Hauses heraus, immer noch mit untergeschlagenen Beinen und ein paar Meter über dem Boden schwebend.
    Die Leute bezeichnen Städte als lebende Organismen, aber das ist trügerisch. Auf der Astralebene sind die Energien des Lebens deutlich sichtbar, doch die Stadt selbst - der Beton, die Gebäude - ist tot. Die Häuser sehen wie computergenerierte Bilder aus: fade, künstlich, illusorisch.
    Doch jedes Gebäude glänzt im Schein der Lebensenergien seiner Bewohner oder Insassen. Die astrale Landschaft pulsiert im Rhythmus dieser Energie, manchmal hell, manchmal nur matt. Sogar hier im Herzen der Bronx, inmitten all dieser Beton- und Plastiksärge, lebt die Natur.
    Bandit spürt eine Veränderung im pulsierenden Fluß der Energie und dreht sich um.
    Eine vertraute Gestalt taucht aus dem dunklen Schatten einer, Gasse auf. Nicht das idealisierte Selbstbildnis eines Novizen, sondern vielmehr die Astralgestalt eines stattlichen Mannes, der ein schwarzes Barett und eine alte grüne Armeejacke mit vielen Taschen trägt. Er nennt sich Pug. Er folgt Hund. Er besitzt große Macht. Bandit schwebt zu ihm herab.
    »Du willst einem Magier gegenübertreten?« sagt Pug.
    Bandit nickt. »Ich bin nicht auf eine Konfrontation aus. Nur auf Informationen.«
    »Und wenn du kämpfen mußt?«
    Bandit weiß, was er darauf antworten muß, zögert jedoch vor jemandem, der soviel weiß wie Pug. Löwe ist der bereitwillige Krieger, ebenso wie Wolf. Waschbär nicht. Bandit zwingt sich zur Antwort. »Waschbär kämpft, wenn er muß.«
    »Wofür?«
    »Für Blut. Für meine Schwester.«
    »Du redest wie Wolf.«
    Bandit schüttelt den Kopf. »Sogar der zurückgezogene Waschbär stellt sich einem Kampf, wenn sein eigen Fleisch und Blut bedroht wird. Das ist der Lauf der Dinge.«
    Pug lächelt, aber das Lächeln verblaßt rasch. »Deine Schritte werden sicherer, junger Schamane. Das ist gut. Es gibt viel Böses im Plex, und du beschreitest einen gefährlichen Weg. Sei auf der Hut.«
    »Das werde ich.«
    Pug nickt und wartet. Es ist Bandit, der sich abwenden und gehen muß. Hund wendet sich nie von einem Freund oder auch dem Freund eines Freundes ab. Das liegt in Hunds Natur.
    Bandit wendet sich ab und erhebt sich hoch über die Stadt. Die astrale Landschaft verschwimmt, aber er weiß, wohin ihn sein Weg führt. Er nimmt die Lage des Van Cortlandt-Industriegebiets und des Laborgebäudes von Hurley-Cooper zur Kenntnis, dann die Autobahn, die in nord-südlicher Richtung mehr oder weniger parallel zum breiten Band des Hudson durch den Sprawl führt.
     
    Ein Augenblick vergeht, und dann schwebt er über einer stumpfgrauen Straße vor einem großen stumpfgrauen Gebäude, in dem primitive Gewalt und Farben des Hasses, des Verrats und des Todes vorherrschend sind. Merkwürdigerweise ist das Schild vor dem Gebäude blaß vor Apathie und Gleichgültigkeit. Bandit denkt darüber nach, bis ihm plötzlich aufgeht, daß er vor dem Zuchthaus für kriminelle Geistesgestörte in Ossining nördlich von Tarrytown schwebt.
    Zu weit.
    Das Reisen im Astralraum kann heikel sein.
    Die Welt verschwimmt. Bandit jagt auf seinem Weg zurück und hält hundert Meter vor einem Autobahnkreuz an. Hier hat er sich verflogen. Er rast über die Kreuzung zu einer Ausfahrt. Das Straßennetz dahinter rauscht nur so an ihm vorbei, bis er langsamer wird und die Hauptzufahrt zur Riverside Corporate Community in Dobb's Ferry sieht. Jetzt ist er richtig.
    Der Komplex ist ungewöhnlich, übervoll von Lebensenergien, eine Oase inmitten der Verwahrlosung des Sprawl. Alleen führen an großen Häusern vorbei, die von üppigen Rasenflächen umgeben sind. Das Leuchten des Lebens aus dem Innern dieser Häuser ist so gedämpft, daß nur ganz wenige darin wohnen können. Nur die Spitzen aus Wissenschaft und Konzernmanagement können es sich leisten, an so einem Ort zu wohnen. Amy sagt, daß Dr. Liron Phalen schon seit vielen Jahren hier wohnt. KFK International hat ihm dieses Haus seinerzeit

Weitere Kostenlose Bücher