Jäger
auch einer Frau hätte
gehören können, streckte die Hand aus und zog Robs Hand nah
an ihre Augen. »Sie haben einige Fehler gemacht, wie ich
sehe.«
Trotz seines Widerstands hielt sie uns seine Hand zur Begutachtung
hin. Zwischen den Sehnen auf dem Handrücken wies die Haut kurze,
tiefe Falten auf. Ich hatte sie schon früher bemerkt und
für Operationsnarben gehalten.
»Gravierende Fehler«, sagte die Verwalterin.
»Und was ist mit Ihnen?«, gab Rob mit heiserer Stimme
zurück.
Die Verwalterin streckte ihre Hand hoch: dieselben Falten, wenn
auch von den Jahren geglättet. »Für wie alt halten Sie
mich?«, fragte sie Rob.
Rob zog hastig die Hand zurück. »Sie leiden an Progeria,
an vorzeitiger Vergreisung. Sie sind höchstens süße
vierzig.«
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht verhärtete sich. »Sie
haben keinen Grund, sich dümmer zu stellen, als Sie sind.«
Sie war es nicht gewohnt, mit abschätzigen Blicken bedacht zu
werden. »Ich war einmal die Zukunft, Dr.
Cousins.«
Sie ging mit leicht wiegenden Schultern und hängenden Armen
zur Rampe zurück. Als wir stehen blieben, drehte sie sich um und
blinzelte wie ein magerer alter Affe Stuart und Norton zu. Die beiden
stießen uns mit ein paar Knüffen vorwärts. Für
Stuart gehörte es zum Job. Norton machte es Spaß,
Knüffe auszuteilen.
Die Agenten in den zerknitterten Anzügen blieben an der
Tür zurück, die Stirnen feucht von Schweiß. Die
Jugendlichen verschwanden im Dunkel.
Schon seit einiger Zeit hatte ich nach einer Möglichkeit
gesucht, eine Minute lang Verwirrung auszulösen und unsere
Aufpasser zu einer unbedachten Handlung zu provozieren – ohne
dabei selber ums Leben zu kommen. Nichts. Sie waren angespannt und
wachsam.
Uns voran ging die Verwalterin einen düsteren, grabesstillen
Korridor entlang. Der gebohnerte Boden glänzte vom milchigen
Widerschein einer fernen Deckenleuchte. Rob beschleunigte seine
Schritte und holte unsere Führerin ein. »Sie sagten, dass
ich einige Fehler gemacht habe. Welche Fehler? Und woher wissen Sie
das?«
Sie blickte auf. »Die chemischen Prozesse in Ihrem
Körper schwanken wie das Pendel einer Uhr – zuerst in die
eine und dann in die andere Richtung. Sie haben zu viele Kanäle
zwischen den Kleinen Müttern durchtrennt. Die Falten zwischen
Ihren Fingern sagen mir, dass bei Ihnen die Krankheit in ein paar
Monaten ausbrechen wird, vielleicht früher. Ja, Sie könnten
sehr lange leben. Vielleicht Hunderte von Jahren. Aber Sie werden
lange Jahre in tollwütigem Wahnsinn dahinvegetieren.«
Rob sah aus wie ein Hund, der gleich zu kotzen anfängt. Als
er hinter der Verwalterin zurückblieb, versetzte Norton ihm
einen aufmunternden Tritt gegen den Knöchel.
»Man wird uns umbringen«, klärte Rob mich auf, als
sei das eine ganz neue Einsicht.
Ich drehte mich zu Stuart und Norton um. »Lasst ihr das
zu?«
Stuart zuckte mit den Achseln.
Ich wollte nur sehen, wer von beiden uns größere
Aufmerksamkeit schenkte. Ich wusste, wie diese Typen dachten, und
kannte die geistigen Verrenkungen, die sie am Ende eines harten Tages
vollführten, um die Dinge, die sie gesehen und getan hatten, in
Schubladen wegzusperren. Vielleicht verdiente ich nicht mehr als ein
Achselzucken. Herrgott, war ich in den letzten Jahren lahm und
begriffsstutzig geworden.
Sämtliche Ecken – die Winkel zwischen Wänden und
Fußboden und die zwischen Wänden und Decke – waren
mit gewölbten Rinnen aus Keramik ausgestattet. Wie ich
feststellte, war der Bodenbelag gar kein Linoleum, sondern bestand
aus großen blauen Fliesen, die mit einer glänzenden,
glasartigen Substanz versiegelt waren. Die Wände waren ebenfalls
gekachelt und dort, wo Risse und Sprünge aufgetreten waren,
ausgebessert worden.
Kein Lufthauch regte sich im Korridor. An manchen Stellen war das
Alter des Gebäudes zu erkennen: Einige Kacheln wiesen
sternförmige Sprünge auf, hier und da waren – offenbar
durch Fundamentsenkung verursachte – Risse in den Wänden zu
sehen. Einige Schäden waren behoben und mit einer
zusätzlichen Schicht der glasartigen Lasur überstrichen
worden.
Die Verwalterin berührte die Wand. »Früher gingen
sie einmal am Tag, in der Regel am Abend, mit Dampfschläuchen
durch die Korridore vor den Labors und sterilisierten alles. Das
ganze Gebäude roch wie eine chinesische Wäscherei. Es war
ein wunderbarer Geruch.« Sie drehte sich um. »Sie sehen
mich andauernd an, Mr. Bridger. Offensichtlich haben Sie Fragen. Ich
bin Maxims Frau.«
»Maxim
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