Jägerin der Dunkelheit - Feehan, C: Jägerin der Dunkelheit - Shadow Game (Ghost Walkers # 1)
Warum hatte er
immer das Gefühl, sie würde ihm davonflitzen? Im einen Moment gehörte sie ihm, war eins mit seiner Seele und seinem Körper, und im nächsten Moment hatte sie sich schon wieder so weit von ihm entfernt, dass er sie nicht festhalten konnte.
Erst als Lily einen Laut von sich gab, merkte er, dass er sie viel zu fest an sich drückte. »Tut mir leid, Schätzchen«, murmelte er und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. »Ich will nicht, dass du dich in Gefahr begibst, um mit dem General zu reden und herauszufinden, ob auch er in diese Geschichte verwickelt ist, obwohl es ganz danach aussieht.«
»Dann werde ich es wenigstens wissen. Ich konnte immer in sein Inneres schauen, wenn wir miteinander getanzt haben. Sogar dann, wenn wir uns nur mit einem Händedruck begrüßt haben, konnte ich seine Gefühle wahrnehmen. Er hat viel zu viel damit zu tun, an andere zu denken, um sich selbst zu schützen.« Lily entzog sich seiner Umarmung. »Mach dir keine Sorgen, es wird schon gutgehen.« Sie sah sich noch einmal im Spiegel an. »Dem Himmel sei Dank, dass die Schwellung so schnell zurückgegangen ist. Die blauen Flecken kann ich überschminken.«
»Wo findest die Veranstaltung statt?«
Sie zuckte die Achseln. »Arly weiß Bescheid. Er kann mich dort erreichen. Im Victoria Hotel.«
»Das hätte ich mir ja denken können. Das mit der Glaskuppel. Und sie lassen einen nur rein, wenn man einen Anzug trägt.«
»Genau das ist es.«
Rylands Hand schlang sich um ihren Nacken. Er zog sie wieder an sich. Diesmal war sein Mund hart und fordernd, weidete sich an ihren Lippen und brandmarkte sie. Plötzlich wandte er sich abrupt ab und verließ ihr Zimmer.
Lily hob ihre Finger an ihre Lippen. Lange Zeit sah sie hinter ihm her. Sein Geschmack hatte sich ihrem Mund eingebrannt, hatte sich ihrem ganzen Körper eingebrannt, und sie konnte ihn noch fühlen, als sie längst im Hotel eingetroffen war und begonnen hatte, eine Runde zu drehen, um die anderen Gäste zu begrüßen. Es war seltsam, wie sehr sie das Gefühl hatte, Ryland sei bei ihr, fast schon so, als sei ein Teil von ihm in ihrem Innern zurückgeblieben, und vielleicht war es das ja.
Die Musik war laut und rhythmisch und schien sie mit ihrem stampfenden Takt zu verschlingen. Der Saal war riesig und konnte die Menschenmenge doch nicht fassen; sie ergoss sich in die Gänge und in den Bankettsaal. Es waren so viele Menschen, dass sie sich eingezwängt fühlte. Obendrein war es schwierig, ihre Barrieren aufrechtzuerhalten und sich nicht von den gewaltigen emotionalen Energien überwältigen zu lassen, die um sie herum die Luft zum Knistern brachten.
Als Lily sich durch den Saal bewegte und pflichtschuldig ihre Runden drehte, schlüpfte sie automatisch in die Rolle, die auf einer solchen Veranstaltung von ihr erwartet wurde. Während sie Hände schüttelte oder Umarmungen und nichtssagende Küsse mit anderen austauschte, versuchte sie, sich von jeder Person eine klare Vorstellung zu machen und ihren wahren Charakter zu erfassen. Peter Whitney hatte ihr eingeschärft, wie wichtig es war, die richtigen Leute zu kennen und sie auf ihre Seite zu ziehen. Jetzt war ihr das wichtiger denn je. Während die Gäste köstlich zubereitete Speisen aßen, hielt sie ihre flammende Ansprache über die Notwendigkeit von Forschungsgeldern für Projekte, die im Dienste der Menschheit standen. Sie
selbst sagte eine hohe Spendensumme zu, um den Ball ins Rollen zu bringen, und sie legte exakt das richtige Maß an Zuversicht in ihr Lächeln, als die Gäste ihr applaudierten.
Sie glitt durch die Menschenscharen, redete und lachte, sagte zu jedem genau das Richtige und bahnte sich währenddessen ihren Weg zum Ballsaal. Die gedämpfte Beleuchtung dort war weitaus wohltuender für ihre Augen. Die stampfende Musik verschaffte ihr einen gewissen Abstand von der allgemeinen Aufregung und den sexuellen Spannungen, den Auseinandersetzungen, die da und dort aufflammten, und von den unterschwellig wahrnehmbaren Affären und Intrigen und dem Firmenklatsch.
Lily beobachtete, wie die Frauen in ihren hautengen Kleidern die Männern verführten. Nichts weiter als flüchtige Blicke, eine hochgezogene Augenbraue, ein paar Worte, die in ein Ohr geflüstert wurden. Körper, die sich heimlich streiften, sich in der schummrigen Beleuchtung einen gemeinsamen Moment raubten und sogleich wieder voneinander abrückten. Diese Blicke. Taxierend. Spekulierend. Sexy. An einem solchen Ort wäre sie liebend gern
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