Jägerin der Dunkelheit - Feehan, C: Jägerin der Dunkelheit - Shadow Game (Ghost Walkers # 1)
die Oberfläche aufstiegen und überflossen, ließen seine Stimme grob klingen. »Er war ein guter Soldat. Ein anständiger Mensch. Ich weiß nicht, was zum Teufel ihm zugestoßen ist.« Er dachte an frühere Zeiten mit Russell Cowlings, und die Erinnerungen waren schmerzhaft.
Er konnte Lily nicht ansehen, denn er wollte nicht noch einmal das blanke Entsetzen in ihren Augen lesen. Resolut kehrte er ihr den Rücken zu, während er in ihrem Schlafzimmer umherlief. Lily hatte ihr Samtcape nachlässig über die Lehne des Polstersessels geworfen und ließ sich ein Bad einlaufen. Das rote Abendkleid, in dem sie so sexy ausgesehen hatte, lag lieblos auf dem Fußboden. Er hob es auf und zerdrückte den Stoff in seinen Händen. »Du könntest tot sein, Lily. Er hätte dich töten können. Das erste Mal habe ich ihn laufen lassen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, was du andernfalls über mich denken könntest. Verflucht noch mal.« Die Worte brachen heftig aus ihm heraus. »Ich bin gut in meinem Job. Du kannst mich nicht einfach vorwurfsvoll ansehen und mich derart aus der Fassung bringen, dass ich nicht einsatzfähig bin. Machst du
dir überhaupt eine Vorstellung davon, was passiert wäre, wenn er uns entwischt wäre? Ich habe sämtliche Männer in Gefahr gebracht, weil ich es vermeiden wollte, ihn vor deinen Augen zu töten.« Er hoffte, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen. Er wünschte, es wäre so. Wenn nicht, dann hieß das nämlich, dass er gezögert hatte, weil Cowlings ein Freund gewesen war. Und das war ganz übel. So oder so hatte er die Peitschenhiebe verdient, die ihm Nicolas mit seiner Stimme versetzt hatte.
Lily steckte ihr Haar auf und stieg in das heiße Badewasser. Sie konnte nur beten, dass es helfen würde, die verkrampften Muskeln in ihrem Bein zu lockern. Ihre Schulter schmerzte an der Stelle, die Cowlings bei seinem Sprung auf der Treppe getroffen hatte, und sie wusste, dass sie dort eine furchtbare Prellung hatte. Sie hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, es zu überprüfen; Tränen rannen über ihr Gesicht, und sie bezweifelte, dass sie auch nur ihr Spiegelbild gesehen hätte. Sie litt mit Ryland. Sie fühlte seinen Schmerz und auch, wie elend ihm zumute war und welche Wut er auf sich hatte. Er schrie sie an, doch sie wusste, dass sich sein glühender Zorn in Wirklichkeit gegen ihn selbst richtete.
Dampf stieg um sie herum auf, als Lily ihren Körper in das heiße Wasser sinken ließ. Sie konnte ihn nicht trösten. Ihr fiel nichts ein, womit sie ihm seinen Schmerz nehmen konnte. Er war mit ihr in Kontakt getreten, als ihr Vater ermordet worden war. Er war für sie da gewesen, als sie herausgefunden hatte, dass sie ein Versuchsobjekt gewesen war. Und sie konnte nur in einer gigantischen Marmorwanne mit dampfend heißem Wasser sitzen und weinen und sich fragen, warum jemand mit ihrem IQ keinen Schimmer hatte, was sie für ihn tun konnte.
»Lily?« Ryland lehnte seine Hüfte an den Türrahmen. Ihr zerknittertes Abendkleid hielt er immer noch in der Hand. Sie hatte ihm nicht mehr in die Augen gesehen, seit sie aus dem Hotel gerannt waren. Nicht ein einziges Mal, als sei ihr sein Anblick unerträglich. Sie hätte ihn nicht schlimmer verletzen können, wenn sie ihm ein Messer in die Eingeweide gestoßen hätte. »Es ist das Beste, wenn wir das jetzt sofort klarstellen. Das ist nun mal mein Job und das, was ich gelernt habe, verflucht noch mal!«
Sie sah ihn nicht an, sondern blickte starr vor sich hin. Ryland trat näher. Er würde ein Magengeschwür bekommen, bevor er sie dazu brachte, sich zu ihm zu bekennen. Er konnte die hässliche Prellung auf ihrer Schulter sehen, die stärker anschwoll und sich jetzt schon schwarz und violett verfärbte. »Hörst du mir überhaupt zu?« Die Wut war aus seiner Stimme gewichen. »Du hast mich etwas tun sehen, was absolut notwendig war. Deshalb lasse ich dich noch lange nicht gehen. Du solltest besser gleich wissen, dass ich gar nicht daran denke, dich gehen zu lassen. Es ist ein blödsinniger Grund dafür, dass du uns keine Chance mehr gibst.« Er hob den roten Stoff an sein Gesicht und rieb sein Kinn daran. Er durfte sie nicht verlieren.
Ryland hatte keine Ahnung, wie es dazu gekommen war oder wann es dazu gekommen war, aber sie hatte sich so tief in seinem Herzen und in seiner Seele festgesetzt, dass er ohne sie nicht mehr atmen konnte. Als sie ihm immer noch nicht antwortete, sondern einfach nur dasaß, während der Dampf ihr Haar kräuselte und
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