Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Tristans Seite öffnete. „Was ist?", fragte er. Vermutlich dachte er, ich hätte endgültig den Verstand verloren.
„Interessante Bewohner", sagte ich nur. „Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen." Vorausgesetzt natürlich, Sadira brachte mich wieder in Ordnung.
22
Von dem hellen Licht im Eingang geblendet, versuchte ich, meine Augen mit der Hand abzuschirmen, aber sie war viel zu schwer, und so vergrub ich mein Gesicht an Tristans nackter, blutverschmierter Schulter, als er mich ins Haus trug. Die Themis-Leute hatten offenbar jede verfügbare Lampe eingeschaltet, wie James es auch zuvor in der Bibliothek getan hatte, um sich vor den dunklen Kreaturen zu schützen, die in ihre Trutzburg eindrangen.
Bevor mir die Augen wieder zufielen, sah ich noch das imposante Treppenhaus aus Marmor und Holz, das die Eingangshalle dominierte. Zu beiden Seiten der Halle wurden Türen geöffnet, und ich hörte die Schritte der Leute, die heraustraten, um Tristan und mich zu beäugen.
„Sadira", murmelte ich leise, und meine Lippen streiften Tristans kühle Haut. Ich wusste nicht, ob mich überhaupt noch jemand hören konnte. Die Welt entglitt mir zusehends - die Schmerzen hatten nachgelassen, und ich spürte Tristans Arme nicht mehr. „Mira?", fragte Tristan besorgt, aber ich hatte keine Kraft zum Antworten. „Sadira! Wo ist sie? Wir verlieren Mira!"
Augenblicklich hörte ich schreckliche Laute, eine Mischung aus Schreien und Knurren. Das war Sadira. Ich kannte ihre Stimme genau, ihren Klang, ihre Tonlage, bis in die kleinsten Nuancen. Jahrelang war sie durch meinen Kopf gehallt, mit ihrem typischen Singsang, vor dem es kein Entrinnen gab.
Zarte Hände berührten mein Gesicht und drehten meinen Kopf. „Mira! Mach die Augen auf und sieh mich an!", herrschte Sadira mich an. Meine Augenlider flatterten kurz, zu mehr fehlte mir die Kraft. Ich leckte mir die Lippen und riss mich zusammen. „Wir hatten . . Probleme", flüsterte ich. Sadira entfuhren ein paar derbe Flüche, doch dann küsste sie mich zärtlich auf die Stirn und legte meinen Kopf behutsam wieder an Tristans Brust. „Ich brauche einen Raum, wo ich ungestört arbeiten kann. Da! Trag sie dort hinein!"
In meiner Benommenheit bekam ich nur vage mit, wie Tristan mich irgendwohin trug, dann hörte ich aufgeregte Stimmen und Türenknallen. Mir entfuhr ein leises Wimmern, als Tristan mich auf etwas Hartes legte, vermutlich auf einen langen Tisch. Das Licht war nicht mehr so hell, und ich konnte die Augen einen Spalt öffnen. An der Wand zu meiner Linken standen hohe Bücherschränke, zwischen denen Porträts von grimmig dreinblickenden Männern mit grauem und weißem Haar hingen.
„Sie haben uns gefunden .. ", stieß ich hervor, dann fielen mir die Augen wieder zu. Ich war am Ende. Ich musste Sadira sagen, was passiert war, damit sie Jabari informieren konnte. Der Älteste musste alles in Ordnung bringen; er würde den Naturi Einhalt gebieten. „Sie haben Thorne getötet. Wir .. brauchen einen Neuen." „Ich weiß", entgegnete Sadira leise. Vermutlich hatte Tristan sie über die Ereignisse des Abends ins Bild gesetzt, während ich immer wieder weggedämmert war.
Sie stand neben mir und strich mir mit ihrer kleinen Hand das Haar aus der Stirn. „Aber jetzt müssen wir dich erst mal heilen." „Die Tri..." „Das ist jetzt nicht wichtig. Ohne dich ist das alles bedeutungslos." Sadira küsste mich auf Stirn und Wangen. „Entspann dich. Du musst dein Bewusstsein zur Ruhe kommen lassen." „Müde. So ... müde." Ich war völlig erschöpft. Ich war es leid zu kämpfen, und ich war die Schmerzen leid.
Da rührte sich plötzlich etwas. Unter den Schmerzen spürte ich eine leichte Bewegung in meinem Bewusstsein, doch als ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren, entglitt es mir und zog sich in den wogenden Nebel zurück, der meine Gedanken um-hüllte. Ich versuchte noch einmal, die Bewegung aufzuspüren, und dann waren die Schmerzen plötzlich verschwunden.
Ich schlug schreiend die Augen auf und sah mich verwirrt um. Die Bücherschränke und die grimmigen Männer waren verschwunden. Der glänzende Dielenboden mit meinen Blutflecken war verschwunden. Rings um mich waren kalte Mauern und brennende Fackeln, die in schmiedeeisernen Halterungen steckten. Ich war in einem Verlies. Es war das Verlies unter Sadiras spanischem Schloss. Es war der Raum, in dem ich wiedergeboren worden war.
Voller Panik richtete ich mich auf. Das war völlig unmöglich! Als ich die Augen
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