Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
geschlossen hatte, lag ich auf einem Konferenztisch in England im Sterben. Sadira konnte sich nicht in Sekundenschnelle von einem Ort zum anderen bewegen wie Jabari. Was ich sah, konnte einfach nicht real sein.
„Es ist nicht real", hörte ich Sadira sagen, dann trat sie aus der Mauer zu meiner Rechten und kam zu dem Steintisch, auf dem ich saß. „Die Schmerzen drohten dich mir wegzunehmen. Ich musste dich den Schmerzen wegnehmen, um dich heilen zu können. Deine Verletzungen sind .. schwer. Organe wurden beschädigt, und dein Herz wurde perforiert. Du bist dem Tode nah." „Das dachte ich mir", entgegnete ich seufzend. Die Angst kroch meine Wirbelsäule hoch und schlug ihre Klauen in meinen Rücken. Obwohl ich wusste, dass das Ganze nicht echt war, geriet ich in Panik. Es sah echt aus, es fühlte sich echt an, es roch echt. „Aber warum sind wir hier?" „Damit ich dich heilen kann, musst du mir vertrauen", entgegnete Sadira mit einem sanften Lächeln und legte den Kopf schräg. „Und das hier war der einzige Zeitpunkt in deinem Leben, in dem du mir vollkommen vertraut hast."
Ich schwang schnaubend die Beine von dem Steintisch und stellte mich hinter ihn. „Ich habe dir noch nie vertraut!" „Das ist eine interessante Lüge", schalt Sadira. „Du lagst zehn Jahre lang Nacht für Nacht völlig hilflos da und warst davon abhängig, dass ich dich am Leben erhalte. Ich war in deinem Bewusstsein; du hast nie daran gezweifelt, dass ich jede Nacht wiederkomme."
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Sadira mich beobachtete und auf meine Antwort lauerte. Ich wusste, dass sie recht hatte. Ich hatte darauf vertraut, dass sie mich in ihre Welt einführte und mich nicht im Stich ließ. Aber zu diesem Zeitpunkt war meine einzige Alternative der Tod gewesen.
Sadiras Gestalt begann zu flimmern, und ich streckte automatisch die Hand nach ihr aus, aber meine Finger glitten durch sie hindurch. „So schwere Verletzungen .. " Ich hörte ihre Stimme, doch ihre Lippen bewegten sich nicht. Es fiel ihr schwer, meine Wunden zu heilen und gleichzeitig die Fantasiewelt aufrechtzuerhalten.
Plötzlich jagten so heftige Schmerzen durch meine Brust, dass ich mich krümmte und die Stirn auf die Steinplatte legte. Einige Sekunden lang spürte ich nichts als Schmerzen, dann ebbten sie langsam wieder ab. Als ich mich aufrichtete, stand Sadira vor mir. Ihr Gesicht war angespannt und bleich, aber sie war wieder bei mir. „Die Verletzungen sind so schwer. Ich wünschte, ich könnte mit Jabari Kontakt aufnehmen", sagte sie geistesabwesend. Sie sah mich nicht an, sondern starrte auf den Tisch zwischen uns. „Aber das könnte er auch als Ausrede benutzen, um dich zu sich zurückzuholen."
Mein Magen verkrampfte sich, was nichts mit der Wunde zu tun hatte, die Sadira sich verzweifelt zu schließen bemühte. Jabari konnte ihr nicht helfen. Nur sie konnte mich heilen. Sie war diejenige, die mich zum Nachtwandler gemacht hatte, und nur durch ihr Blut konnten meine Wunden heilen. Ich traute mich nicht recht nachzufragen, was sie gemeint hatte. Sadira ging sehr vorsichtig mit Wissen um, denn die Kontrolle des Informationsflusses war nun einmal die einfachste Methode, ihre Kinder in Schach zu halten. Sie wirkte zwar zerstreut, aber diese Bemerkung hatte sie sicherlich nicht ohne Grund gemacht.
„Nur du kannst mich retten!" Auch wenn das Ganze eine Illusion war, hatten meine Worte einen unangenehmen Nachgeschmack. Sadira sah mich mit einem belustigten Funkeln in den Augen an. „Ich wünschte, es wäre so", sagte sie kichernd, dann wurde ihre Miene ernst. „Jabari hat dich von dem Moment an beobachtet, als ich dich in Griechenland gefunden hatte. Mir wurde nur unter der Voraussetzung gestattet, dich zu behalten, dass ich dich zu ihm bringe, wann immer er es wünscht. Und als die Zeit gekommen war, dich in die Finsternis einzuführen, hat man beschlossen, einen Erstling aus dir zu machen."
„Hat man beschlossen? Wer?" Die Formulierung deutete daraufhin, dass noch andere in die Diskussion über mein Schicksal involviert gewesen waren, aber außer Sadira und ihren Kindern hatte ich nie jemanden gesehen. Als Mensch war ich gelegentlich dem Konvent und anderen Alten zur Belustigung vorgeführt worden, aber Jabari war nie dabei gewesen. „Jabari und Tabor haben sich darauf geeinigt." Sadira ergriff meine Hand und fuhr mit den Fingern über die Innenseite meines Arms. „In deinen Adern fließt mein Blut. Es hat
Weitere Kostenlose Bücher