Jägerin der Nacht 01 - Nightwalker
Schicksal selbst zu bestimmen. „Das ist nur zu deinem Schutz." Mir entfuhr ein ungläubiges Schnauben, als ich meinen alten Freund und Beschützer ins Visier nahm. „Ich glaube allmählich, dass nichts von dem, was du je für mich getan hast, wirklich zu meinem Wohl war."
Jabari lächelte mich an, wie ich ihn noch nie hatte lächeln sehen. Es war, als ließe er endlich seine Maske fallen, derer ich mir in den vergangenen fünfhundert Jahren gar nicht bewusst gewesen war. Ich hatte ihn schon vergnügt wie auch hasserfüllt lächeln sehen, doch nun wirkte er eiskalt und völlig ungerührt. Als er einen Finger unter mein Kinn legte, wollte ich den Kopf wegziehen, stellte aber fest, dass ich es nicht konnte. Der Machtstrom, der mich erreichte, war zwar nur schwach, sorgte aber dafür, dass sich meine geschundenen Muskeln augenblicklich anspannten. Jabari war in meinem Kopf und trachtete danach, mich zu beherrschen, auch wenn er noch keine Befehle ausgab. Vorerst begnügte er sich damit, seinen Herrschaftsanspruch anzumelden und zu beweisen, dass er Kontrolle über mich hatte.
„Du kannst dich nicht daran erinnern, weil wir es nicht wollten", erklärte Jabari. „Wir?" „Der Konvent. Wir mussten herausfinden, wer dich kontrollieren kann. Du bist eine ziemlich effektive Waffe." Ich biss die Zähne zusammen und versuchte abermals, meinen Kopf wegzuziehen, doch es ging immer noch nicht, und Jabari grinste über das ganze Gesicht.
„Sadira kann dich kontrollieren", fuhr er fort, „Tabor konnte es, und ich kann es ebenfalls. Überraschenderweise konnten es auch ein paar von Tabors Kindern, also haben wir natürlich angenommen, dass es eine Frage der Abstammung ist." „Es gab noch andere?" Erneut wurde ich von Entsetzen gepackt. Ich hatte zwar keine Erinnerungen daran, doch ich konnte es mir lebhaft vorstellen: ich als Marionette zur Belustigung des Konvents und seiner Lakaien.
„Einige wenige. Wir haben ein paar Experimente durchgeführt. Leider mussten wir die meisten von denen, die dich kontrollieren konnten, vernichten. Wir konnten unser kleines Geheimnis doch nicht preisgeben! Und wir mussten dafür sorgen, dass du nichts davon mitbekommst. Es bestand ja immer die Gefahr, dass jemand deine Gedanken liest und deine einzigartige Fähigkeit entdeckt."
„Also habt ihr mich so lange am Leben gelassen, damit der Konvent jederzeit nach Bedarf an meiner Leine zerren kann", sagte ich. In diesem Moment sah ich in Jabaris Augen etwas aufblitzen. Ihm war unwillkürlich ein Gedanke gekommen, etwas, das ich nicht wissen sollte.
„Was?", fuhr ich auf. „Was ist mit dem Konvent?" Ich beobachtete, wie sich seine Miene versteinerte. „Es können nicht alle!", stellte ich lächelnd fest. „Nicht alle Mitglieder des Konvents können mich kontrollieren." Mein Lächeln wurde noch breiter, als Jabari mich ausdruckslos ansah. Ich hatte also recht. „Das muss ziemlich unerfreulich für den Betreffenden sein." Ich dachte an Macaire und Elizabeth, die anderen beiden Mitglieder des Konvents.
Tabor, mein anderer Leinenführer, war bereits tot. War ich möglicherweise der Grund für sein Ableben gewesen?
„Du kannst von Glück sagen, dass du so lange am Leben geblieben bist", versetzte Jabari. „Du hast dich klugerweise dafür entschieden, den Forderungen des Konvents nachzukommen du hattest eine Aufgabe und wir den Eindruck, dass du unseren Wünschen Folge leistest." „Der Konvent hat lediglich von mir verlangt, den Frieden und unser Geheimnis zu wahren, was keineswegs unvernünftige Forderungen sind", entgegnete ich achselzuckend, wünschte aber im selben Moment, ich hätte die verletzte Schulter nicht bewegt.
„Und jetzt haben wir dieses Problem hier", knurrte Jabari und sah Danaus an, der unser Gespräch aufmerksam verfolgt hatte. Als der Jäger sich erhob, zuckte er zwar schmerzerfüllt zusammen, aber immerhin stand er nun.
Ob mir das auch gelang, wusste ich noch nicht so genau.
„Wir sind natürlich davon ausgegangen, dass du nur von unseresgleichen kontrolliert werden kannst", fuhr Jabari fort. „Das hier ist nicht gut, meine Wüstenblume, umso weniger, da inzwischen Zweifel an deiner Loyalität bestehen." „Es gibt nur wenige, die sich meine Loyalität verdient haben", erwiderte ich, woraufhin Jabari die Stirn runzelte. Der finstere Gesichtsausdruck gefiel mir in diesem Moment besser als sein Lächeln. „Aber das spielt ohnehin keine Rolle. Du lässt mich ja sowieso nur noch so lange leben, bis es dir gelingt,
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