Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
Der Rhythmus beruhigte mich und wischte meine augenblicklichen Sorgen fort. Ich erschuf keine Nachtwandler.
„Aber ich wurde nicht so erschaffen, und bis vor ein paar Nächten dachte ich noch, dass Sadira meine einzige Schöpferin ist." Ich hielt erneut inne und leckte mir die Lippen, während ich nach Worten suchte. „Es gibt drei Phasen des Todes. In der ersten setzt der Atem aus, dann steht das Herz still, und zuletzt verlässt die Seele den Körper. Als ich erschaffen wurde, wurde mit der Verwandlung begonnen, bevor meine Seele den Körper verlassen hatte. Sadira hat langsam und vorsichtig gearbeitet, damit meine Seele niemals aus dem Körper entweichen kann.
Dieser Vorgang dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte, aber wenn der Nachtwandler schließlich erwacht, ist er stärker und mächtiger als diejenigen, die als Gefährten wiedergeboren werden. Manche glauben, dass ein Nachtwandler größere Macht erreicht, wenn er während des gesamten Vorgangs seine Seele behält. Wer auf diese Weise erschaffen wird, ist im Allgemeinen stärker, mächtiger und schwieriger umzubringen. So einen Vampir nennt man Erstling."
„Tristan hat also keine Seele?" „Doch", knurrte ich und stand schwankend auf. Ich hörte diese Worte nicht gerne laut ausgesprochen. Einem sehr alten Mythos zufolge waren Vampire Geschöpfe ohne Seele, ein Mythos, an den viele Menschen immer noch glaubten. Und immer wenn sie herausfanden, dass es uns wirklich gab, benutzten sie diesen altertümlichen Irrglauben als Vorwand, um Jagd auf uns zu machen.
Ich zwang mich zur Ruhe, während ich auf einen müden Danaus hinabblickte. Er hatte die Frage nicht böse gemeint, und mir war klar, dass ich überreagiert hatte. Je näher wir Venedig kamen, desto mehr lagen meine Nerven blank. Ich ließ mich wieder in den Sitz fallen und unterdrückte ein Seufzen. „Wenn der Körper mit Vampirblut wiederbelebt wird, wird die Seele in den Körper zurückgerufen. Aber wenn die Sonne aufgeht, stirbt er aufs Neue, und die Seele verlässt ihn. Natürlich sind das alles bloß Vermutungen."
„Und bei dir?" „Es heißt, dass ich nicht wie die anderen bei Sonnenaufgang sterbe. Sadira meint, dass ich deshalb träumen kann und die anderen nicht", sagte ich und schüttelte den Kopf. „Warum hat sie dich so erschaffen?" „Wenn man ihr glauben kann, dann hat Jabari es so gewollt", antwortete ich. „Ich wurde vor Jahrhunderten entführt, weil ich die Gabe besitze, das Feuer zu beherrschen. Als sie Angst bekamen, dass ich mein menschliches Leben durch die Pest verlieren könnte, beschlossen sie, mich zur Nachtwandlerin zu machen. Allerdings wollte Jabari herausfinden, ob ich meine Gabe behalten konnte, und die Chance darauf war am größten, wenn ich ein Erstling werden würde."
„Also fließt Jabaris Blut in deinen Adern." „Und Sadiras. Und Tabors. Das von allen Gründungsmitgliedern der Triade." Und von zwei der vier Mitglieder des Konvents. Von einigen der mächtigsten Nachtwandler aller Zeiten. „Sie glauben, dass sie und einige ihrer Abkömmlinge mich kontrollieren können, weil ihr Blut ein Teil von mir ist." „Aber ich bin kein Nachtwandler. War es nie und werde es nie sein", sagte Danaus.
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass es dafür nie zu spät wäre. Ich hatte nichts davon, ihn ausgerechnet jetzt zu reizen. Der Konvent und die Tatsache, dass jeder Vampir in Venedig ihm ans Vampirjäger-Leder wollte, waren schon Probleme genug.
„Du? Keine Ahnung. Da du mir ja hartnäckig verschweigst, was du bist, kann ich nur vermuten, dass du genau wie ich eine Laune der Natur bist, und das verschafft dir wohl irgendeinen komischen Vorteil." „Wissen die anderen, was wirklich passiert ist?", erkundigte sich Danaus und wechselte abrupt das Thema. Er wollte mir auch jetzt nichts verraten, aber ich bildete mir ein, dass ich die Wahrheit schon noch herausbekommen würde, bevor sein letztes Stündlein geschlagen hatte.
„Ich glaube nicht", sagte ich mit einem Seufzer auf den Lippen. „Wenn das der Fall wäre, glaube ich nicht, dass wir lebend von Themis weggekommen wären, Naturi hin oder her. Es wäre wohl am besten, wenn wir für uns behalten, was wir gemeinsam bewirken können. Wir stehen kurz davor, ins Herz der Machtstruktur der Nachtwandler vorzustoßen. Da ist es sicher eine gute Idee, ihnen nicht noch mehr Gründe zu liefern, uns wie Läuse zu zerquetschen."
„Du glaubst also, dass sie das nicht sowieso mit uns machen, wenn wir in Venedig ankommen?" „Im
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