Jägerin der Nacht 02 - Day Hunter
Jahrhunderte zurück, in meiner Zeit mit Sadira. Die meisten dieser Vampire waren da noch nicht einmal wiedergeboren gewesen. Für sie war ich eine Legende, eine fantastische Geschichte, in der sehr wenig Wahrheit steckte. Ich würde sie daran erinnern, dass ich ein Albtraum war.
Meine Hände ruhten leicht in den Hüften, während ich auf Tristan hinunterstarrte. Der kalte Marmorboden um ihn herum war mit seinem eigenen Blut beschmiert. Irgendwie bezähmte ich meine Wut und meine Abscheu und verlieh meiner Stimme den beiläufigen Tonfall irritierter Langeweile. „Was machst du hier?" „Mir wurde befohlen zu kommen", stieß er hervor. Seine schöne Stimme war vom Schreien heiser geworden. „Von wem?" „Sadira."
„Ich bin jetzt deine Herrin", sagte ich und war selbst überrascht, wie ruhig meine Stimme klang. In meinem Inneren zitterten die Muskeln, und mein Hals war wie zugeschnürt. Ich war halb so alt gewesen wie er, als ich meinen ersten Auftritt als Abendunterhaltung gehabt hatte. Mehr als eine Woche lang hatte Schlaf meine Nächte beherrscht, während mein Körper sich mit der Genesung herumquälte. Ich hatte Sadira meine Zeit mit dem Konvent niemals verziehen. Viele hielten es für eine Aufnahmezeremonie, für den Hof die Rolle der Unterhaltung zu übernehmen. Angeblich machte es einen Nachtwandler nicht nur stärker, sondern lehrte ihn auch noch Demut. Mich hatte es gelehrt zu hassen.
Mit einem Blick auf Tristan stellte ich fest, dass er nur ein Spielzeug war. Er war nicht dafür gemacht, ein langes Dasein zu führen und dabei stark zu werden.
Sadira hatte ihn schwach erschaffen und ihn schwach erhalten, indem sie ihn an ihre Seite kettete. Ich hatte Stärkere als ihn abgeschlachtet, weil sie unvorsichtig geworden waren und nicht mehr auf sich selbst aufpassen konnten. Ohne Sadira würde er zu einem dieser Nachtwandler werden, und ich wäre es, die sich ihm eines Nachts wie ein dunkler Todesengel an die Fersen heften würde. Aber ich würde nicht zulassen, dass Tristan das geschah. Er gehörte jetzt zu mir.
Vielleicht war es, weil etwas in seinen Augen mich an Michael erinnerte. Es konnte auch die Tatsache sein, dass ich in zwei Nächten weder Thorne noch Michael hatte beschützen können. Oder vielleicht lag es auch daran, dass ich zu viel von mir selbst in diesen schmerzerfüllten Augen erkannte. Ich kannte die Schrecken, denen er ins Auge gesehen hatte, und den Schmerz, der ihn noch erwartete. Aber die Gründe waren unwichtig.
Dieses eine Mal wollte ich jemanden retten, anstatt ihn zu vernichten. Ich würde Tristan nicht diesen Monstern überlassen. Aber leider hatten wir alle unsere Rolle zu spielen und eine kleine Vorstellung abzuliefern, bevor wir unserer Wege gehen konnten. Und ich musste sichergehen, dass Tristan mir widerspruchslos gehorchte.
„Ich habe dir gesagt, du sollst nicht hierherkommen", sagte ich. Meine Hände rutschten von den Hüften und hingen lose herab, selbst als die Anspannung wie ein elektrischer Strom durch meinen verkrampften Körper raste. „Als Strafe für deinen Ungehorsam sollte ich dich hier zurücklassen." „Bitte nicht! Mira, bitte! Sie ist meine Schöpferin! Ich musste ihr gehorchen!", flehte er. Seine weiche Stimme kam kaum über ein Flüstern hinaus. Er kroch vorwärts und umklammerte meine Beine, während ein Schrei seinen geöffneten Lippen entfloh. Als er sich vorbeugte, erkannte ich, dass sein Rücken eine einzige blutige Fleischmasse war. Sie hatten ihm die Haut vom Rücken abgezogen.
Ich beugte mich zu ihm hinunter und legte ihm sanft die Hand unters Kinn. „Nach der heutigen Nacht bedeutet sie dir nichts mehr. Von heute an bin ich deine ganze Welt", sagte ich kalt. „Ja, Herrin", würgte er unter seinem pulsierenden Schmerz hervor. Ich barg sein Gesicht in beiden Händen und wischte mit den Daumen die blutigen Tränen fort, die ihm über die Wangen liefen. „Und jetzt sag mir, wer dich angerührt hat."
Als Tristan stumm blieb, hob ich langsam den Blick und ließ die Augen über die Menge der Versammelten schweifen. Kein Name kam über Tristans rissige und zitternde Lippen, aber ich hatte auch nicht erwartet, dass er seine Peiniger verraten würde. Wir alle wussten, dass ich ihre Gesichter jederzeit aus seiner Erinnerung ablesen konnte. Aber nicht einmal das würde nötig sein.
Ich hielt mich nicht damit auf, Sadira zu mustern. Sie hatte ihn nicht angerührt. Selbst wenn, hätte es keine Rolle gespielt. Dass sie ihn dem Hof zum Vergnügen
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