Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
Augenwinkel beobachten konnte. Die Nächte in Peru wurden kürzer, während sie darum kämpften, den dunklen Klauen des Winters zu entkommen und endlich wieder in frühlingshafter Pracht zu erblühen.
Heute Nacht war hier, südlich des Äquators, in Peru die Frühlingstagundnachtgleiche - eine Zeit des Neubeginns. Zu Hause in Savannah war dies die erste Nacht des Herbstes - eine Zeit, in der Dinge zu Ende gingen und der Verfall sich beschleunigte. In beiderlei Hinsicht war es der ideale Zeitpunkt für Auroras Rückkehr. Heute Nacht wollte sie im Triumph das Tor durchschreiten und mit dem Wechsel der Jahreszeiten auch den Beginn ihrer Herrschaft über die Erde einläuten.
Es war beinah bittere Ironie, dass sich ausgerechnet die Wesen zur Rettung der Menschheit aufmachten, die jahrhundertelang der Stoff ihrer Albträume gewesen waren. Aber selbst diese kuriose Laune des Schicksals vermochte meine Stimmung nicht aufzuhellen. Ich fand heute Nacht keine Leichtigkeit in mir; ich wollte alles einfach nur hinter mich bringen.
„Anschließend widmen wir uns wieder ganz der Aufgabe, uns gegenseitig umzubringen", sagte ich und sah Danaus geradewegs ins Gesicht, während ich versuchte, meine Furcht abzuschütteln. Er verzog den Mund zu einem schiefen, zögernden Lächeln, als er mir das Pistolenhalfter zuwarf, das er mir zum ersten Mal vor einigen Monaten auf dem Flug von London nach Venedig gegeben hatte. „Wie es Gottes Wille ist", murmelte er.
Während der nächsten Minuten glitten meine Finger nervös über allerlei Schnallen und Riemen, während ich mich davon überzeugte, dass das Schulterholster auch fest saß und dass das Schwert, das ich mir auf den Rücken gebunden hatte, nicht verrutschte, wenn ich mich bewegte. Wieder und wieder korrigierte ich so den Sitz meiner Ausrüstung. Das hielt mich davon ab, in dem Zimmerchen auf und ab zu tigern, das mit einem Doppelbett, einem wackeligen Nachttisch und zwei abgewetzten Lehnstühlen ohnehin kaum Platz bot. Nach dem luxuriösen Prunk unserer Suite im Hotel Cipriani wirkte das kleine Zimmer mit den orange verputzten Wänden und dem fadenscheinigen Teppich karg und spartanisch. Für den kurzen Aufenthalt und unsere schlichten Bedürfnisse war es allerdings mehr als ausreichend.
Cynnia saß in der Ecke am Boden und ließ die mit Handschellen versehenen Arme auf den angewinkelten Knien ruhen, während sie sich langsam vor- und zurückwiegte. Der Anblick ihrer toten Stammesbrüder hatte ihr nach dem ersten Aufschrei an der Kellertreppe die Sprache verschlagen. Shelly hockte stumm auf der Bettkante. Mit dem Zeigefinger der linken Hand zeichnete sie unablässig ein Unendlichkeitszeichen auf die Decke. In diesen letzten Stunden war jeder von uns in seine eigenen düsteren Gedanken vertieft.
Ein plötzliches Klopfen an der Tür ließ mich auffahren. Ich hatte nicht darauf geachtet, ob sich irgendjemand näherte. Zum Glück hatte ich gerade kein Schwert in der Hand, sonst hätte es mich wahrscheinlich einen Finger gekostet. Ich nickte Danaus zu, und er erhob sich von seiner Position auf der Bettkante, um die Tür zu öffnen.
Während ich noch an dem Browning herumnestelte, betrat Stefan das Zimmer und warf Danaus beim Hereinschlüpfen einen argwöhnischen Seitenblick zu. Der gut aussehende Nachtwandler trug Jeans und als Schutz gegen den kalten Wind einen schwarzen Rollkragenpullover - als ob ihm der Wind etwas ausmachen würde.
„Wie ich sehe, hast du deine Truppe endlich beisammen", sagte er abschätzig. „Wir sind bereit zum Abmarsch." Ich ließ den Blick zu Danaus wandern, der Stefans Rücken anstarrte. „Wie viele Naturi?", fragte ich. Ich konnte sie vage erahnen, musste diese Fähigkeit, in der es Danaus offenbar zur Meisterschaft gebracht hatte, aber erst noch schulen.
Jetzt drehte Stefan sich um und wandte sich in Erwartung einer Antwort dem Jäger zu. Danaus hörte nicht auf, den Vampir mit Blicken zu durchbohren, aber ich spürte, wie seine Kräfte sich über das Zimmer hinaus ausbreiteten und dabei Stefans eigene Kräfte verdrängten wie einen unwillkommenen Gast. Stefan rührte sich nicht, er zuckte nicht einmal mit der Wimper. War ich wirklich die einzige Nachtwandlerin, die Danaus' Kräfte spürte? Ich wollte lieber gar nicht so genau wissen, wie tief unsere Verbindung wirklich war, aber ich war mir sicher, dass sie nur für Unglück sorgen würde.
„Fast fünfzig", antwortete er mit entrückter Stimme. „Nicht übel", sagte Stefan, ohne sich von dieser
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