Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
Arme und zog mich an seine Brust, sodass die letzten Dämme brachen, die die Flut der Erinnerung an meine Gefangenschaft bei den Naturi noch zurückhielten. In all den Jahren hatte ich mir niemals erlaubt zu weinen. Nicht, als Jabari mich auf jenem fernen Berg gerettet hatte, und auch nicht während der langen Jahrhunderte danach. Aber jetzt vergrub ich mein Gesicht an seiner starken Brust und ließ die Tränen ungehindert aus den zusammengekniffenen Augen strömen. Ich öffnete die Fäuste und klammerte mich an seiner Seite fest, als meine Beine unter der Last der Erinnerung nachgaben, die mir durch den Kopf wirbelten. Zu viele Nächte hatte ich unter Nerians Messer zugebracht, zu viele Leerstellen in meiner Erinnerung, die ich nicht füllen konnte oder wollte - die grauenhaften Dinge, die mir widerfahren waren.
„Ich hasse sie", stöhnte ich trotz des dicken Kloßes in meinem Hals. „Ich hasse sie so sehr, alle miteinander. Ich hasse sie für das, was sie mir angetan haben. Ich hasse sie für das, was sie meinen Leuten antun."
Danaus schwieg, während ich zitternd in seinen Armen lag. Er brauchte nichts zu sagen. Er hatte Nerian fast eine Woche lang gefangen gehalten, und der Naturi hatte ihn nur zu gerne mit Geschichten darüber unterhalten, was er mir angetan hatte. Der Jäger wusste, wie lange man mich festgehalten und wie man mich gefoltert hatte. Er kannte meine schreckliche Vergangenheit besser als jedes andere lebende Wesen auf diesem Planeten und hatte sogar die Narben gesehen, die meinen Rücken zeichneten. Danaus konnte ich nichts vormachen.
Nach ein paar Minuten löste ich mich endlich aus seiner fürsorglichen Umarmung, trat einige Schritte zurück und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich konnte jetzt seinen Geruch an mir schnuppern, den Geruch nach Meer und Sonne. Klar und rein und friedvoll. Etwas von der Last, die ich mehr als fünfhundert Jahre mit mir herumgeschleppt hatte, war mir von den Schultern genommen worden, und der Knoten aus Wut in meiner Brust war ein wenig kleiner geworden.
„Was hast du jetzt mit ihr vor?", fragte er leise, als ich endlich die Fassung wiedergewonnen hatte. Beinahe hätte ich gesagt, dass ich ihr genau das antun würde, was ich erlitten hatte, aber ich brachte die Worte nicht über die Lippen, weil ich wusste, dass es nicht stimmte. Folter war ein Weg in den Abgrund, dem ich schon vor Jahren den Rücken gekehrt hatte. Wenn ich jetzt tötete, geschah es schnell und ohne zu zögern. Es gab keine Quälerei, jedenfalls nicht von der Art, wie ich sie erduldet hatte. Ich hätte gern geglaubt, dass ich zu so etwas nicht mehr fähig war.
„Ich möchte herausfinden, ob sie uns irgendwelche nützlichen Informationen geben kann, und dann werde ich sie töten. Weiter nichts", sagte ich und wandte mich wieder dem Jäger zu. Allerdings hielt ich seinem Blick nicht ganz stand. Ich steckte unsicher die Hände in die Hosentaschen und starrte vor mir aufs Pflaster. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir sie wirklich als Faustpfand gegen die Naturi einsetzen können."
Danaus legte mir die Hand unters Kinn und zwang mich, die Augen zu heben und seinen forschenden Blick zu erwidern. „Was, wenn sie wirklich keine Ahnung hat?" „Dann wird sie schnell sterben." „Und wenn sie das ist, was sie zu sein vorgibt, eine Verräterin an den Naturi?" „Dann haben wir vielleicht endlich mal einen interessanten Fang gemacht", sagte ich und rang mir ein Lächeln ab. Ich wich langsam einen Schritt zurück und entzog mein Kinn seinem sanften Griff. „Pass kurz auf sie auf. Ich muss mich um etwas kümmern."
„Wirst du heute Nacht noch zurückkommen?" Ich sah zum Nachthimmel hinauf und erhaschte einen kurzen Blick auf das Sternenlicht, als die dunklen Wolken aufrissen. Uns blieben noch ein paar Stunden bis zum Sonnenaufgang. „Das kann ich wirklich nicht genau sagen." Danaus nickte und gab den Weg frei, damit ich ihm zum Auto folgen konnte. Als ich ankam, gab er mir die Schlüssel, während seine unbewegte Miene kurz einen besorgten Ausdruck annahm. Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas unausgesprochen zwischen uns stand.
Aber ich hatte keine Ahnung, was er mir sagen wollte, und ohne ein weiteres Wort erklomm er die Treppen zum Haus und ging hinein.
Ich stieß einen leisen Seufzer aus, stieg in mein Auto und fuhr rasch zu meinem Haus draußen vor der Stadt, wo Tristan mich schon erwartete, wie ich wusste. Ich musste mich nur kurz in seine Gedanken einschalten, um zu
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