Jägerin der Nacht: Firestarter (German Edition)
Sofa, wie es wohl nur Nachtwandler können. Sie drehte sich um und musterte den Teenager kühl. »Lily, geh nach oben«, sagte sie leise und unaufgeregt. Einen Moment lang glaubte ich, sie setzte ihre Kräfte ein, um das Mädchen zu kontrollieren, aber Lily belehrte mich prompt eines Besseren.
»Das ist doch alles große Kacke!«, schrie der Teenager und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich will dabei sein.«
»Ich habe versprochen, dich zu beschützen«, entgegnete ich. »Und das tue ich jetzt auch. Du wirst nach oben gehen. Mira und ich kümmern uns um alles.«
Lily warf Mira und mir einen hasserfüllten Blick zu und sah dann zu Tristan hinüber, der in sein eigenes Videospiel versunken auf einem Stuhl in der Ecke saß. Ich war so sehr mit Mira und Lily beschäftigt gewesen, dass ich seine Anwesenheit bis jetzt gar nicht bemerkt hatte. Allmählich verlor ich wirklich die Kontrolle – ein solcher Fehler konnte mich im schlimmsten Fall das Leben kosten.
»Darf Tristan mit mir hochkommen?«, fragte sie.
»Tristan bleibt hier unten bei uns«, antwortete Mira zu meiner Überraschung. Bisher hatte sie noch nie Anstalten gemacht, den jungen Nachtwandler in unsere Beratungen mit einzubeziehen. Ich hatte angenommen, dass sie beschlossen hatte, ihren Schützling vor den wachsenden Gefahren unserer Welt zu bewahren. Vielleicht hatte sie aber auch erkannt, dass übertriebene Fürsorge nicht dazu beitragen würde, dass er auf eigenen Füßen stehen konnte. So würde er nie lernen, auf sich selbst aufzupassen, und das war schließlich immer ihr großes Ziel für ihren Blutsbruder gewesen.
Lily stöhnte entnervt auf, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und die Treppen ins Obergeschoss hochtrampelte. Auf dem Weg ratterte sie sämtliche Schimpfwörter herunter, die sie kannte, und beschwerte sich lauthals darüber, wie blöd wir beide waren. Ich konnte mir kaum das Lachen verbeißen.
»Sie erinnert mich an dich«, murmelte ich mit einem Seitenblick zu Mira.
Die Nachtwandlerin hob die Augenbraue und lächelte schwach. »Ich kann aber besser fluchen.« Dann verschwand das Lächeln beinahe so schnell, wie es gekommen war, und machte einer ernsteren Miene Platz. »Du hast es gesehen, oder?«
Ich schloss die Augen und sah im Geiste noch einmal den Nebel, der aus dem Mann herausgeströmt war. Das war die Kreatur, die meine Seele bis in alle Ewigkeit verdammt hatte. »Ja, es ist in deinem Haus aufgetaucht. Ich … ich habe keine Ahnung, wie wir damit fertig werden sollen.«
»Wie meinst du das?«, fragte Tristan und stand auf.
Ich wandte mich wieder Mira zu, die mich forschend ansah. »Bist du schon mal einem Bori begegnet?«
»Nein, aber das sind reine Geisterwesen, oder?«, fragte sie mit einem leichten Kopfschütteln.
»Woher weißt du das?«, fragte ich erstaunt.
Mira setzte sich auf den Rand des Couchtisches, sodass sie mich und Tristan zugleich ansehen konnte. »Als die Naturi ausgebrochen waren, kam mir der Gedanke, dass das Gefängnis der Bori vielleicht ebenfalls schwächer werden könnte. Dem Zahn der Zeit hält ja nichts für immer stand, oder? Also habe ich mich vor meinem Treffen mit Ryan in Venedig mit Jabari verabredet. Er hat mir einige Aufzeichnungen überlassen, die sich ausschließlich mit Bori befassen. Darin war auch die Beschreibung einer solchen Kreatur enthalten.«
»Die Bori sind die Wächter der Seele?«, fragte Tristan.
»Und unsere Schöpfer«, ergänzte Mira und sah ihn an. »Sie haben die Nachtwandler vor vielen Jahrhunderten erschaffen, damit sie als Soldaten in den Krieg gegen die Naturi ziehen. Deshalb brauchen wir auch Seelenmagie zum Überleben.«
»Was sind das für Geschöpfe?«, fragte Tristan und schüttelte den Kopf. »Du hast gesagt, sie bestehen nur aus geistiger Energie. Wie hast du das gemeint?«
»Anscheinend sind die Bori Wesen aus reiner Seelenmagie«, erklärte ich. »Ich glaube, diese Kreatur verfügt über keinen eigenen Körper. Sie kann verschiedene Gestalten annehmen, aber am stärksten ist sie, wenn sie den Körper eines anderen Lebewesens übernimmt. In Miras Haus ist Gaizka im Körper eines Mannes im mittleren Alter aufgetaucht.«
»Gaizka?« Mira wurde hellhörig.
»Genau, Gaizka. Ihm gehört ein Teil meiner Seele.«
»Oh«, flüsterte sie und ließ die Schultern hängen.
»Was?«, keuchte Tristan und kam einen Schritt auf mich zu.
»Meine Seele gehört zum Teil einem Bori«, gestand ich. Normalerweise hätte ich das nie ausgesprochen, schon gar nicht in
Weitere Kostenlose Bücher