Jägerin des Herzens
Blick und sahen, dass sich die finstere Miene des Botschafters unter den erfahrenen Aufmerksamkeiten der beiden Frauen aufgehellt hatte. Der Attache warf Lily noch einen bösen Blick zu und entfernte sich mit ein paar gemurmelten Worten.
»Wie kann er es wagen?«, rief Lily empört aus. Ihr Gesicht war gerötet. »Und wie kannst du es wagen? Dein besonderer Gast? Ich möchte nicht, dass jemand denkt ich bräuchte einen Beschützer. Ich kann für mich alleine sorgen, und ich möchte dich bitten, in Zukunft solche Bemerkungen zu unterlassen, vor allem vor …«
»Beruhige dich wieder. Ich, hätte mich also, nicht einmischen sollen, was?«
»Nein, aber du hättest mit mehr Respekt über mich reden können. Wo, zum Teufel, bist du überhaupt gewesen? Ich möchte mit dir über jemanden reden …«
»Ich respektiere dich, Liebchen, mehr, als man eine Frau respektieren sollte. Und jetzt geh ein bisschen mit mir spazieren. Ich stehe dir ganz zur Verfügung.«
Lily musste unwillkürlich lachen und hakte sich bei Derek ein. Er ging gerne mit ihr durch den Spielpalast spazieren, so als ob sie ein seltener Preis sei, den er gewonnen hatte. Als sie die Eingangshalle durchquerten und zu dem prächtigen goldschimmernden Treppenhaus gingen, begrüßte Derek die neu angekommenen Clubmitglieder, Lord Millwright und Lord Nevill, einen Baron und einen Earl. Lily schenkte ihnen ein strahlendes Lächeln.
»Edward, ich hoffe, Ihr spielt später eine Partie Cribbage mit mir«, sagte Lily zu Nevill. »Seit ich letzte Woche gegen Euch verloren habe, brenne ich auf eine Revanche.«
Lord Nevill verzog sein rundliches Gesicht ebenfalls zu einem Lächeln. »Aber selbstverständlich, Miss Lawson.
Ich freue mich auf eine weitere Partie.« Während Nevill und Millwright zum Speisezimmer eilten, hörten sie Nevill sagen: »Für eine Frau ist sie recht klug.«
»Zieh ihn nicht so sehr aus«, warnte Derek Lily. »Er hat mich gestern um ein Darlehen gebeten. Seine Taschen sind nicht tief genug für eine kleine Gaunerin wie dich.«
»Wessen Taschen denn?«, fragte Lily, und er schmunzelte.
»Versuch es mal mit dem jungen Lord Bentinck – sein Vater zahlt seine Schulden, wenn er zu hoch spielt.«
Gemeinsam stiegen sie die prächtige Freitreppe hinauf.
»Derek«, sagte Lily, »ich wollte dich fragen, was du über einen gewissen Gentleman weißt.«
»Wer?«
»Der Earl von Wolverton. Lord Alexander Raiford.«
Derek wusste sofort worum es ging. »Der Typ, der mit deiner Schwester verlobt ist.«
»Ja, ich habe einige recht unangenehme Mutmaßungen über seinen Charakter gehört. Ich möchte wissen, welchen Eindruck du von ihm hast.«
»Warum?«
»Weil ich befürchte, dass er ein grausamer Ehemann sein könnte. Noch habe ich Zeit um etwas zu unternehmen.
Die Hochzeit ist erst in vier Wochen.«
»Du interessierst dich doch sonst nicht für deine Schwester«, sagte er.
Lily warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Das zeigt mal wieder, wie wenig du über mich weißt! Wir waren uns zwar nie besonders ähnlich, aber ich bete Penny an. Sie ist sanft, schüchtern, gehorsam … Eigenschaften, die ich bei anderen Frauen äußerst bewundernswert finde.«
»Sie braucht deine Hilfe nicht.«
»Doch. Penny ist so süß und hilflos wie ein Lämmchen.«
»Und du bist schon mit Zähnen und Klauen auf die Welt gekommen«, erwiderte er.
Lily hob die Nase. »Wenn etwas das Glück meiner Schwester bedroht dann muss ich ihr helfen.«
»Du bist ja eine richtige Heilige.«
»Jetzt erzähl mir endlich, was du über Wolverton weißt. Du weißt doch alles über jeden. Und hör auf, so zu grinsen – ich habe nicht vor, mich in fremde Angelegenheiten einzumischen oder etwas Überstürztes zu tun …«
»Nein, ganz bestimmt nicht.« Derek lachte jetzt laut weil er sich vorstellte, wie sie schon wieder in ein Fettnäpfchen trat.
Derek führte sie zu dem geschnitzten, vergoldeten Balkon, von dem aus man das ganze Erdgeschoss übersehen konnte. Es war sein Lieblingsplatz, um zu reden, denn von hier aus konnte er jede Bewegung an den Spieltischen beobachten, wobei seinem aufmerksamen Blick nichts entging. »Alex Raiford«, murmelte er nachdenklich. »Tja, er ist ein- oder zweimal hier aufgetaucht. Er ist allerdings keine Taube.«
»Tatsächlich?«, erwiderte Lily überrascht. »Keine Taube. Wenn du das sagst, ist es fast schon ein Kompliment.«
»Raiford spielt klug – er geht mit, setzt aber nie zu hoch.« Derek lächelte. »Selbst du könntest ihn
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