Jägerin des Herzens
blickte sie mit seinen schimmernden grünen Augen an. Unbehaglich versuchte Lily, sich ihm zu entwinden.
»Du reizt mich, Liebchen«, murmelte Derek. »Ich wäre gerne der Mann, der dir zeigt, wie Lust sein kann.«
Lily erwiderte finster seinen Blick. »Ich würde dir niemals erlauben, mich zu berühren, du wachsnäsiger Prolet.«
»Wenn ich wollte, könnte ich«, erwiderte er ungerührt. »Und ich würde dir beibringen, es zu mögen. Du brauchst mehr als jede andere Frau, die ich kenne, einen guten Liebhaber. Aber ich werde dich nicht flachlegen.«
»Warum nicht?«, fragte Lily, wobei sie versuchte, gelangweilt zu klingen. In ihrer Stimme war jedoch ein Beben, das ihn zum Lächeln brachte.
»Weil ich dich dann verlieren würde«, sagte er. »Das ist immer so. Und bevor ich dich verliere, wird der Teufel blind. Also such dir einen anderen Mann, für den du die Röcke hebst. Und wenn du zu mir zurückkommst werde ich da sein. Immer.«
Lily schwieg und betrachtete verwundert sein entschlossenes Gesicht. Vielleicht dachte sie, ist das für Derek das Äußerste, was er an Liebe geben kann. Er sah Liebe als Schwäche an, und er verachtete Schwäche. Zugleich aber hing er an ihrer seltsamen Freundschaft. Er wollte sie nicht verlieren … nun, sie wollte ihn auch nicht verlieren.
Sie blickte ihn spöttisch an. »Sollte das eine Liebeserklärung gewesen sein?«, fragte sie.
Der Zauber war gebrochen. Derek grinste und wuschelte ihr durch die kurzen Locken. »Was immer du willst Liebchen.«
Nach ihrem Treffen mit Zachary ging Lily zu Craven, um Derek zu suchen. Er würde bestimmt etwas über Wolverton wissen. Derek kannte den finanziellen Wert jedes wichtigen Mannes in England, einschließlich vergangener Bankrotte und Skandale, zukünftiger Erbschaften und ausstehender Schulden und Verbindlichkeiten.
Durch seinen eigenen Geheimdienst war Derek auch unterrichtet über den Inhalt der Testamente, darüber, welche Männer sich Geliebte hielten und wie viel sie dafür bezahlten und welche Noten ihre Söhne in Eton, Harrow und Westfield hatten. In ihrem blassblauen Kleid, dessen tiefer, mit cremefarbener Spitze besetzter Ausschnitt ihre kleinen Brüste betonte, streifte Lily ohne Begleitung durch Craven’ s. Ihre Anwesenheit erregte wenig Aufmerksamkeit sie war mittlerweile ein vertrauter Anblick. Sie war die einzige Frau, der Derek die Mitgliedschaft im Craven’ s gestattete, und im Gegenzug hatte er von ihr völlige Aufrichtigkeit verlangt. Nur er alleine kannte ihre dunkelsten Geheimnisse.
Lily spähte in jedes Zimmer. In dem Spielpalast herrschte der übliche frühabendliche Betrieb. Die Speisezimmer waren voller Gäste, die das gute Essen und den Wein genossen. »Tauben«, sagte sie leise und lächelte. Das war Dereks Ausdruck für seine Gäste, obwohl noch nie jemand es ihn laut hatte sagen hören.
Zuerst würden die Tauben das beste Essen in ganz London zu sich nehmen, zubereitet von einem Küchenchef, dem Derek das unvorstellbar hohe Gehalt von zweitausend Pfund im Jahr bezahlte. Zum Essen gab es eine Auswahl französischer und rheinischer Weine, die Derek auf eigene Kosten bereithielt offenbar aus Herzensgüte. Seine Großzügigkeit ermunterte die Gäste, später an den Spieltischen umso mehr Geld zu setzen.
Nach dem Essen gingen die Clubmitglieder durch das Gebäude zu den Spielsälen. Ludwig XIV. hätte sich hier wie zu Hause gefühlt, umgeben von farbigem Glas, prächtigen Kronleuchtern, unzähligen Metern von blauem Samt und erlesenen Kunstwerken. In der Mitte des Gebäudes lag wie ein kostbares Juwel der Hasardraum mit seiner gewölbten Decke. Die Luft war erfüllt von leiser Geschäftigkeit.
Als Lily das achteckige Zimmer betrat nahm sie den Rhythmus der Elfenbeinwürfel, das Mischen der Karten, das Summen der Stimmen auf. Eine abgedeckte Lampe hing direkt über dem ovalen Hasardtisch und sandte ihr helles Licht auf das grüne Tuch und die gelben Markierungen. Heute Abend standen Vertreter der deutschen Botschaft, ein paar Exilfranzosen und mehrere englische Dandys um den zentralen Hasardtisch. Mitleidig lächelnd verzog Lily die Lippen, als sie sah, wie vertieft sie in das Spiel waren. Mit hypnotischer Gleichmäßigkeit wurden die Einsätze verteilt und die Würfel geworfen. Wäre ein Fremder hierhergekommen, der noch nie etwas mit Glücksspielen zu tun gehabt hätte, er hätte angenommen, dass hier ein religiöser Ritus vollzogen würde.
Der Trick beim Gewinnen war, dass man mit Distanz spielen
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