Jägerin des Herzens
Gedanken schnürte sich ihr die Kehle zusammen, bis sie kaum noch atmen konnte. Vielleicht, dachte sie traurig, war das die Strafe für ihre Sünden, dass man ihr für immer ihr Kind genommen hatte. Aber Gott sollte gnädig sein – Nicole war so unschuldig. Lily wusste genau, dass sie ihre Tochter finden würde, und wenn es ihr ganzes Leben dauern würde.
Alex hatte noch nie eine kleine Frau so herzhaft zugreifen sehen. Vielleicht nahm sie daher ihre unbändige Energie. Lily vertilgte einen Teller Schinken in Madeirasauce, mehrere Löffel voll Kartoffeln und Gemüse, Gebäck und frisches Obst.. Die ganze Zeit über lachte und schwatzte sie, während das Licht einen warmen Schein auf ihr Gesicht warf Zu seiner Bestürzung ertappte sich Alex ein paar Mal dabei, wie er sie anstarrte. Es ärgerte ihn, dass er so fasziniert von ihr war.
Ganz gleich, um welches Thema sich das Gespräch drehte, Lily hatte immer etwas dazu beizutragen. Ihr Wissen über die Jagd, Pferde und andere Männerthemen verlieh ihr etwas Kumpelhaftes. Wenn sie jedoch mit Totty Gesellschaftsklatsch austauschte, klang sie genauso kultiviert wie jede Dame der Oberschicht. Am verwirrendsten jedoch waren die Momente, wenn sie ihren Charme spielen ließ, der den ihrer Schwester bei weitem überstrahlte.
»Penny wird die schönste Braut sein, die London jemals gesehen hat!«, rief Lily aus und brachte damit ihre Schwester zum Kichern. Dann lächelte sie Totty schief an. »Es freut mich, dass du endlich die prächtige Hochzeit bekommst, von der du immer geträumt hast, Mama. Vor allem nach all den Jahren der Qual, die ich dir verursacht habe.«
»Du hast mich nicht nur gequält, Liebes. Und ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, auch für dich eines Tages die Hochzeit auszurichten.« Lily blickte sie ausdruckslos an, aber insgeheim lachte sie. Der Teufel soll mich holen, bevor ich irgendjemandes Frau werde, dachte sie grimmig. Sie blickte zu Alex, der sich eingehend mit dein lauwarmen Essen auf seinem Teller beschäftigte. »Der Mann, den ich heiraten würde, ist schwer zu finden.«
Penelope sah sie neugierig an. »Wie müsste er denn sein, Lily?«
»Ich weiß nicht ob ich ihn beschreiben kann«, erwiderte Lily nachdenklich.
»Ein Schlappschwanz?«, schlug Alex vor.
Lily funkelte ihn finster an. »Nach meinen Beobachtungen ist die ganze Heiraterei eher für die Männer von Vorteil.
Der Ehemann besitzt finanziell und rechtlich die ganze Macht wohingegen die arme Frau ihre besten Jahre damit vergeudet ihm Kinder zu gebären und sich um sein Wohlergehen zu kümmern, und schließlich stellt sie fest dass sie verlischt wie eine alte Kerze.«
»Wilhelmina, aber so ist es doch gar nicht!«, rief Totty aus. »Jede Frau braucht Schutz und Führung eines Mannes.«
»Ich nicht!«
»Tatsächlich?«, bemerkte Alex und sah sie eindringlich an. Lily wand sich unbehaglich, als sie seinen Blick erwiderte. Offensichtlich hatte er von ihrer Beziehung zu Derek Craven gehört. Nun, seine Meinung interessierte sie nicht im Geringsten. Und es ging ihn nichts am ob sie mit jemandem eine ›Vereinbarung‹, getroffen hatte oder nicht!
»Ja, tatsächlich«, sagte sie kühL »Aber wenn ich jemals heiraten sollte, Mylord, dann nur einen Mann, der nicht Stärke mit Brutalität gleichsetzt. Jemand, der seine Frau eher als Gefährtin denn als gefügige Sklavin betrachtet.
jemanden …«
»Lily, das reicht«, warf ihr Vater mit finsterem Gesicht ein »Ich wünsche vor allem Frieden, und du verursachst Unruhe. Du wirst jetzt schweigen.«
»Ich hätte gerne, dass sie weiterredet«, sagte Alex ruhig. »Sagt uns doch, Miss Lawson, was möchtet Ihr noch bei einem Mann?«
Lily spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus – Enge, Wärme und Aufruhr. »Ich möchte nicht weitersprechen«, murmelte sie. »Ihr habt sicher alle eine allgemeine Vorstellung.« Sie schob sich ein Stück Hühnchen in den Mund, aber das saftige Fleisch hatte auf einmal den Geschmack von Sägemehl, und sie konnte es kaum hinunterschlucken. Alle am Tisch schwiegen, während Penelopes Blick ängstlich zwischen ihrer Schwester und rein Verlobten hin und her glitt.
»Allerdings«, sagte Lily nach einer Weile und blickte in Tottys gerötetes Gesicht, »werde ich mit dem Alter immer gesetzter, Mutter. Es ist schon möglich, dass ich jemanden finde, der ein paar Zugeständnisse macht.
Jemanden, der so nachsichtig ist, dass er meine wilde Art
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