Jägerin des Herzens
ihr Herz einen Satz machte. Wie seltsam, dass sein Lächeln bei ihr ein so beschwingtes Gefühl auslöste. Ihre braunen Augen lachten ihn an, und sie sagte zu Henry: »Weißt du, warum dein Bruder bis jetzt noch keinen Hauslehrer gefunden hat? Er ist erst zufrieden, wenn er Galileo, Shakespeare und Plato in einer Person gefunden hat. Du tust mir Leid, mein Junge.«
Henry verzog entsetzt das Gesicht. »Alex, sag ihr, dass das nicht stimmt!«
»Ich habe gewisse Standards«, gab Alex zu und ließ Lilys Arm los. »Einen qualifizierten Lehrer zu finden erfordert mehr Zeit als ich mir vorgestellt hatte.«
»Warum lasst Ihr Henry nicht selber wählen?«, schlug Lily vor. »Dann könntet Ihr Euren anderen Pflichten nachkommen, während er die Bewerbungsgespräche führt. Und am Ende würde er Euch seinen Favoriten vorstellen, damit Ihr zustimmen könnt.«
Alex schnaubte spöttisch. »Den Hauslehrer, den Henry aussucht, möchte ich gerne sehen!«
»Ich glaube, er würde seine Entscheidung recht verantwortungsbewusst treffen. Außerdem soll es ja sein Lehrer sein.«
Henry dachte offenbar über den Vorschlag ernsthaft nach. Er sah Alex an. »Ich würde bestimmt einen guten Lehrer aussuchen, Alex, ganz bestimmt.«
Die Idee war unorthodox. Andererseits würde die Verantwortung Henry guttun. Vermutlich könnte es nicht schaden, wenn er es ausprobierte. Ach denke darüber nach«, brummte Alex. »Aber die endgültige Entscheidung liegt bei mir.«
»Nun«, sagte Lily zufrieden, »anscheinend könnt ihr manchmal sogar vernünftig sein.« Sie ergriff die Karten, mischte sie und legte dann den Stapel auf den Boden. »Hebt Ihr bitte ab, Mylord?«
Alex blickte sie aufmerksam an. Er fragte sich, ob sie in Cravens Club wohl auch so aussah, mit blitzenden braunen Augen und diesem mutwilligen Gesichtsausdruck. Sie schob sich mit der Hand die Locken aus der Stirn.
Sie würde nie eine ergebene, unterwürfige Ehefrau sein. Sie würde eine unterhaltsame Gefährtin sein, verspielt und herausfordernd. Sie war so vieles, und er konnte nichts davon brauchen. »Was spielen wir?«, fragte er.
»Ich bringe Henry die Feinheiten von Siebzehn und vier bei.« Herausfordernd grinste sie ihn an. »Beherrscht Ihr dieses Spiel, Wolverton?«
Langsam griff er nach dem Kartenstapel und hob ab. »Teilt aus.«
Kapitel 5
Konsterniert stellte Lily fest dass Alex ein Meister im Kartenspiel war. Um ihn zu schlagen, musste sie betrügen.
Unter dem Vorwand, Henry etwas erklären zu müssen, spähte sie verstohlen auf die oberste Karte im Stapel. Ab und zu teilte sie die zweiten Karten oder die von unten aus. Ein oder zwei Mal brachte sie den Stapel absichtlich durcheinander, etwas, das sie von Derek gelernt und stundenlang vor dem Spiegel geübt hatte. Falls Alex einen Verdacht hatte, so sagte er nichts … das heißt bis das Spiel fast vorüber war.
»Und das«, sagte Lily zu Henry gegen Ende des Spiels, »ist ein Blatt mit zwei Möglichkeiten. Das Ass zählt entweder einen oder elf Punkte. Am besten versuchst du, von der hohen Punktezahl auszugehen. Wenn das nicht funktioniert dann rechne einen Punkt für das Ass.«
Henry folgte ihren Anweisungen, zog eine Karte und grinste zufrieden. »Zwanzig«, sagte er. »Das kann keiner schlagen.«
»Es sei denn«, bemerkte Alex trocken, »Miss Lawson zaubert zwei Asse hervor.«
Lily warf ihm einen misstrauischen Blick zu, wobei sie sich fragte, ob er gemerkt hatte, dass sie schummelte. Er musste es gemerkt haben. Eine andere Erklärung gab es nicht für seinen resignierten Gesichtsausdruck. Rasch teilte sie die letzten Karten aus, und sie beendeten das Spiel. »Dieses Spiel hat Henry gewonnen«, sagte sie fröhlich. »Das nächste Mal spielen wir um Geld, Henry.«
»Nicht um alles in der Welt«, erwiderte Alex.
Lily lachte. »Regt Euch bloß nicht auf, Wolverton. Ich wollte nur um ein oder zwei Schillinge spielen. Ich habe nicht vor, den armen jungen um sein Erbe zu bringen.«
Henry stand auf und reckte sich stöhnend. »Das nächste Mal spielen wir an einem Tisch und sitzen auf Stühlen«, schlug er vor. »Hier auf dem Boden ist es verdammt hart.«
Sofort blickte Alex ihn besorgt an. »Wie geht es dir?«
»Es geht mir gut.« Henry lächelte Alex an. »Es ist alles in Ordnung, Alex. Wirklich.«
Alex nickte, aber Lily fiel auf, dass sein Blick genauso bekümmert war wie am Abend zuvor. Selbst als Henry steifbeinig gegangen war, änderte sich sein besorgter Gesichtsausdruck nicht. »Was ist los?«, fragte
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