Jägerin des Herzens
dass sie ihn jetzt anders sah. Seine vollen Lippen, die von den italienischen Signoras wegen ihrer Sinnlichkeit gepriesen wurden, kamen Lily widerwärtig vor. Früher einmal hatte seine Aufmerksamkeit ihr geschmeichelt, aber jetzt verabscheute sie die Art wie er seinen Blick über sie gleiten ließ. Er wirkte billig und heruntergekommen, und ihr drehte sich der Magen um, als sie an die eine Nacht dachte, die sie mit ihm verbracht hatte. Hinterher hatte er sie verletzt und gedemütigt indem er ein Geschenk verlangte. Als sei sie eine vertrocknete alte Jungfer, die einen Mann dafür bezahlen musste, dass er in ihr Bett kam. Giuseppe streckte die Hand aus und zog Lilys Kapuze herunter. »Buona sera«, sagte er mit seiner volltönenden Stimme und wollte ihr über die Wange streicheln. Sie schlug seine Hand weg, was ihn zum Schmunzeln brachte. »Ah, immer noch die Krallen ausgefahren, meine geliebte Katze. Ich bin wegen des Geldes hier, Cara. Und du wegen Nachricht über Nicole. Gib mir das Geld, dann tue ich auch meine Pflicht.«
»Nicht mehr.« Lily holte zitternd Luft. »Du schmieriger Bastard. Warum sollte ich dir noch mehr Geld geben, da ich noch nicht einmal weiß, ob sie noch am Leben ist?«
»Ich verspreche dir, dass sie glücklich ist.«
»Wie kann sie ohne ihre Mutter glücklich sein?«
»Wir haben so ein hübsches kleines Mädchen, Lily. Sie lächelt die ganze Zeit und hat so hübsche Haare …« Er fuhr sich durch die schwarzen Locken. »Genauso schön wie meine. Sie nennt mich Papa. Manchmal fragt sie mich, wo Mama ist.« Das brach Lily fast das Herz. Sie schluckte, und Tränen traten ihr in die Augen. »Ich bin ihre Mutter«, sagte sie gepresst. »Sie braucht mich, und ich will sie zurückhaben, Giuseppe. Du weißt dass sie zu mir gehört.«
Er betrachtete sie mit mitleidigem Lächeln. »Vielleicht gebe ich dir Nicoletta irgendwann zurück, Bella, aber du machst zu viele Fehler. Du schickst Männer aus, die Fragen stellen. Du versuchst Tricks mit mir und lässt mich nach unseren Treffen beschatten. Das macht mich wütend. Ich glaube, ich behalte Nicoletta noch für ein paar Jahre.«
»Ich habe dir schon einmal gesagt dass ich davon nichts weiß«, schrie Lily. Das war natürlich gelogen. Sie wusste genau, dass Derek Männer ausgeschickt hatte, die nach Nicole suchten. Derek hatte Informanten in allen Stadtteilen. Im vergangenen Jahr hatte er vier dunkelhaarige Mädchen ausfindig gemacht auf die ihre Beschreibung Nicoles passte. Aber keins der Mädchen war ihre Tochter gewesen, und sie konnte es sich nicht leisten, sie aufzunehmen. Sie fragte nicht was Derek mit ihnen hinterher tat und sie wollte es auch gar nicht wissen.
Hasserfüllt blickte sie Giuseppe an. »Ich habe dir ein Vermögen gegeben«, sagte sie rau. »Jetzt habe ich nichts mehr. Ich kann dir nichts mehr geben, weil ich nichts mehr habe!«
»Dann musst du dir eben Geld besorgen«, erwiderte er sanft. »Oder ich hole mir das Geld aus anderen Quellen – es gibt sehr viele Männer, die gerne ein hübsches Mädchen wie Nicoletta kaufen möchten.«
»Was?« Lily presste die Hand vor den Mund, um einen gequälten Aufschrei zu unterdrücken. »Wie kannst du das deinem eigenen Kind antun? Du kannst sie doch nicht einfach so verkaufen – sie würde sterben … und ich … o Gott, du hast es doch nicht schon getan, oder?«
»Noch nicht. Aber es könnte schon bald so weit sein, Cara.« Er streckte die Hand aus. »Gib mir sofort das Geld!«
»Wie lange wird das noch so weitergehen?«, flüsterte sie. »Wann wird es genug sein?«
Er ignorierte ihre Frage und hielt ihr die Hand entgegen. »Sofort!«
Tränen strömten ihr übers Gesicht. »Ich habe es nicht.«
»Ich gebe dir drei Tage, Lily. Entweder bringst du mir dann fünftausend Pfund … oder Nicoletta ist für immer weg.«
Sie senkte den Kopf und hörte, wie sich seine Schritte entfernten. Sie zitterte vor wilder Verzweiflung. Geld. Sie besaß keinen Penny mehr. In den letzten Monaten, hatte sie nichts mehr bei Craven’ s gewonnen. Nun, ihr Glück musste sich eben wenden, und zwar rasch. Sie musste auf Risiko spielen. Wenn sie nicht in drei Tagen fünftausend Pfund gewinnen konnte … Gott, was sollte sie dann machen?
Sie konnte Derek um ein Darlehen bitten … Nein. Diesen Fehler hatte sie nur einmal begangen, vor anderthalb Jahren. Sie hatte gedacht, dass es ihm bei seinem riesigen Vermögen nichts ausmachen würde, ihr ein- oder zweitausend Pfund zu leihen, vor allem, wenn
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