Jägerin des Herzens
lauschte den verwunderten Ausrufen der Menge. Paare verließen die Tanzfläche und die Spielsäle und strömten in den Hauptraum, um die Ursache für den Lärm zu ergründen.
Lilys schwächer werdender Stimme nach zu urteilen, trug Wolverton sie wahrscheinlich durch einen Seitengang zur Eingangstür. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Lily gerettet worden, obwohl sie es wahrscheinlich gar nicht so sehr zu schätzen wusste. Hin- und hergerissen zwischen Erleichterung und Qual fluchte Derek leise vor sich hin.
Ein junger Stutzer, der als Ludwig XIV. verkleidet war, kam zurück in den Hauptsaal und verkündete lachend:
»Wolverton hat sich unsere Lady Eva über die Schulter geworfen – er trägt sie nach draußen wie ein Wilder!«
Daraufhin strömten die meisten Gäste nach draußen, um zuzusehen, während der Rest sich um Worthys Schreibtisch drängte und das Faktotum bestürmte, Wetten anzunehmen. Sofort begann Worthy, wie besessen in seinem großen Buch herum zu kritzeln und die Quoten zu verkünden. »Zwei zu eins, dass er sie sechs Monate lang bei sich behält, zwanzig zu eins für ein Jahr …«
»Ich setze tausend Pfund darauf, dass sie heiraten«, sagte Lord Farmington mit trunkener Begeisterung. »Welche Quote ist das?«
Worthy überlegte eine Weile. »Fünfzig zu eins, Mylord.«
Erregt drängten sich die Männerdichter um Worthy, um ihre Wetten zu platzieren. Während Lily hilflos über Alex’ Schulter lag, folgten ein paar Leute ihnen, um ihnen Glück zu wünschen. »Das ist eine Entführung, Ihr betrunkenen Idioten!«, kreischte sie. »Wenn Ihr ihn nicht aufhaltet, werde ich Euch als Mitschuldige benennen, wenn ich ihn wegen Entführung vor Gericht bringe, und … oh!«
Sie keuchte überrascht, als er ihr einen festen Klaps auf ihr Hinterteil versetzte.
»Still«, sagte Alex streng. »Macht nicht so einen Aufstand.«
»Ich mache einen Aufstand? Ich bin … au, verflucht!« Sie schwieg verblüfft, weil er ihr wieder einen Klaps versetzt hatte.
Alex’ Kutsche fuhr vor, und er trug sie zu dem Gefährt. Ein Lakai öffnete ihnen die Tür. Alex schob Lily einfach hinein und kletterte hinter ihr her. Aus der Menge der maskierten Gäste am Eingang erschallten Hochrufe, was Lily nur noch wütender machte.
»Na großartig«, schrie sie aus dem Fenster, »klatscht Ihr nur Beifall, wenn eine Frau direkt vor Euren Augen misshandelt wird!« Die Kutsche fuhr an, und Lily wurde seitlich auf den Sitz geworfen. Als sie versuchte, sich von dem Umhang zu befreien, fiel sie beinahe zu Boden. Alex beobachtete sie vom gegenüberliegenden Sitz aus, machte aber keine Anstalten, ihr zu helfen.
»Wohin fahren wir?«, japste sie, wobei sie immer noch mit dem Umhang kämpfte.
»Nach Swan’ s Court an der Bayswater. Hör auf, so zu schreien.«
»Ein Familienbesitz, nicht wahr? Mach dir bloß nicht die Mühe, mich dorthin zu schleppen, ich setze keinen Fuß in dein verdammtes …«
»Still.«
»Es ist mir egal, wie weit es ist! Ich gehe zu Fuß, sobald ich …«
»Wenn du nicht sofort den Mund hältst«, unterbrach er sie sanft drohend, »versetze ich dir eine Tracht Prügel, wie du sie noch nie in deinem Leben erlebt hast!«
Lily starrte ihn aufgebracht an. »Vor heute Abend bin ich noch nie geschlagen worden«, erwiderte sie anklagend.
»Mein Vater hätte nie gewagt …«
»Er hat sich nie um dich gekümmert«, sagte Alex barsch. »Und eigentlich sollte man ihn dafür erschießen. Dir hätte es ab und zu ganz gut getan, wenn man dir den Hintern versohlt hätte!«
»Ich …«, begann Lily hitzig. Als sie jedoch seinen entschlossenen Blick sah, klappte sie den Mund wieder zu. Er sah so aus, als ob er es ernst meinte. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, sich aus dem Umhang zu befreien, aber sie war so fest eingewickelt wie ein Säugling. Wütend, gedemütigt und ein wenig verängstigt beobachtete sie ihn schweigend. Nach gestern Nacht hatte sie eigentlich gedacht sie müsse keine Angst vor ihm haben. Aber jetzt sah es so aus, als ob nichts und niemand ihn davon abhalten würde, mit ihr das zu tun, was er wollte.
Er hatte ihre letzte Chance zerstört das Geld für Giuseppe zu gewinnen, und Lily gab sich daran genauso viel Schuld wie ihm. Wenn sie sich doch nur nicht in seine Angelegenheiten eingemischt hätte! Wenn sie doch nur vernünftig gewesen und Zacharys Bitte um Hilfe abgelehnt und sich um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert hätte! Dann wäre Alex jetzt immer noch mit Penelope und den
Weitere Kostenlose Bücher