Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
behandeln musst. Und nun befassen wir uns mit der Diagnose.«
Für dieses Gebiet allerdings fehlten Felina nun doch einige Voraussetzungen, denn Anat erklärte ihr, wie man eine kranke Katze nach Symptomen abschnupperte. Und noch etwas erfuhr sie, und auch das war eine Kenntnis, die sie zu ihrem größten Bedauern wohl nie würde einsetzen können.
»Lebenskraut«, sagte Anat und wies auf ein paar getrocknete Halme. Goldgelb waren sie und trugen kleine Rispen mit Körnern. »Es wächst auf den Goldenen Steppen. Dann und wann reise ich dorthin und hole mir etwas davon. Es hilft, wenn nichts anderes mehr helfen kann. Es heilt alle Wunden, die äußeren und die inneren, allerdings nicht die der Seele. Aber es ist selten und schwer zu finden. Eine unserer Prüfungsaufgaben ist es, einige Halme davon hierherzubringen. Es ist aber ein langer Weg und mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Darum verwenden wir es nur in großen Notfällen.«
»Ich vermute, ihr seid uns Menschen in der Heilkunst wohl überlegen.«
»Mag sein. Aber auch ihr Menschen habt einige Kenntnisse gewonnen. Lern du das, was ihr entwickelt habt, und erinnere dich manchmal an unsere Art Schnurren«, sagte sie, und ein Lächeln lag in ihrer Stimme.
»Ja, Schnurren.«
Feli hatte vier Tage mit Anat verbracht, mit Mima und Kuri ihre Menschelsprachkenntnisse erweitert und mit deren Hilfe einen etwas schmackhafteren Brei hergestellt. Nur Che-Nupet hatte sie nach der Beratung bei dem Weisen nicht mehr gesehen. Sie fragte sich, während sie am vierten Abend am Wasserfall ihre Kleider wusch, wieso die rotbraune Katze verschwunden war. Bisher hatte sie sich immer irgendwo in ihrer Nähe aufgehalten. Sie vermisste ihre komischen Sprüche und ihre seltsamen Übungen. Anat wusste nichts über ihren Verbleib, der Weise war zu den Raubkatzen gegangen, um dort den Schaden zu begrenzen, den Shepsi angerichtet hatte, Pepi, Sem und Ani waren zu ihrer Truppe zurückgekehrt.
Sie hängte gerade zwei T-Shirts zum Trocknen über einen Busch, als sie den grauen Kater mit dem rotgoldenen Kopftuch am Seeufer entlangschlendern sah. Imhotep, einer der Pfadfinder. Vielleicht wusste er ja etwas über Che-Nupets Verbleib.
Sie ging ihm entgegen.
Er blieb stehen, als er sie sah, und brummte freundlich.
»Schöner Tag heute, nicht?«, sagte sie.
»Ja, auch wenn der Wind dreht. Es wird Regen geben.«
»Macht nichts, bis dahin wird meine Wäsche getrocknet sein. Irgendwie habt ihr Katzen das schon besser gelöst mit dem Fell.«
»Es war eine Entscheidung der Menschen, es abzulegen.«
»Tja, vermutlich.«
Der Kater setzte sich gemütlich hin, und Feli nahm auf einem Stein Platz. Imhotep war offensichtlich in Plauderstimmung. Als sie nach Che-Nupet fragte, konnte er ihr aber auch keine Auskunft geben.
»Vermutlich nutzt sie die sonnigen Tage, um Schlaf nachzuholen. Sie hat sich ja weit mehr als sonst mit euch angestrengt.«
Die Antwort befriedigte Feli nicht. Che-Nupet verfügte über erheblich mehr Energie, als sie der Welt zeigen wollte. Das war jedoch ihre Sache, und darum nickte Feli nur zustimmend und fragte nicht weiter. Imhotep hingegen war ein aufmerksamer Zuhörer und stellte ihr einige Fragen zu ihrem Leben. Und so erzählte sie ihm von ihren Eltern, die im Ausland lebten, von Iris, die bis zum Abitur im nächsten Jahr bei ihr bleiben würde, und schließlich auch über Gesa und ihre Katze Melle. Während sie von beiden berichtete, packte sie wieder die Trauer.
»Ich hoffe, Melle ist gut auf den Goldenen Steppen angekommen«, sagte sie schließlich.
»Das ist sie. Und noch mehr, Felina. Du weißt doch, dass Mafed und Bastet Merit zu deiner Großmutter kamen, als sie starb.«
»Ja, inzwischen weiß ich das.«
»Die Königin hat große Macht, Felina. Und sie hat in ihrer Weisheit beschlossen, dass auch deine Großmutter Aufnahme in den Gefilden finden sollte.«
»Was? Wirklich? Und sie … Oh, jetzt verstehe ich. Ja, ich glaube, Oma hat es gewusst, als Bastet Merit an ihrem Bett stand. Ich habe mir nie einen Reim auf ihre Worte machen können. Sie sagte so was wie: ›Sie wartet schon auf dich. Wir führen dich zu ihr.‹ Hat sie Melle damit gemeint?«
»Ja, das hat sie.«
»Oh, wie schön für sie. Sie hat Melle so gern gehabt.«
Der graue Kater sah versonnen in den Sonnenuntergang. Feli stellte sich vor, wie glücklich Gesa nun sein musste. Ihre Trauer nahm ihr das Wissen nicht, den Verlust hatte sie selbst noch immer zu tragen. Aber für die beiden war sie
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