Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
sieht für eine Mietzi viel zu hoheitsvoll aus.«
Ella zuckte mit den Schultern.
»Wenn dir ein Name einfällt, auf den sie zu hören geneigt ist, nenn ihn mir.«
»Hat sich noch niemand gemeldet? Sie ist doch ein edles Tier, oder?«
»Eine Agyptian Mau, soweit meine Kenntnisse reichen. Aber nicht gechipt, was bei einer solchen Rassekatze ungewöhnlich ist. Und kastriert ist sie auch nicht.«
»Das solltet ihr auch nicht in Erwägung ziehen. Wenn sie eine entlaufene Zuchtkatze ist, könnte euch der Eigner das Fell über die Ohren ziehen.«
Nicht nur der, dachte Majestät. Nicht, dass es einen überhaupt geben könnte.
Ella lachte.
»Nein, erst mal warten wir, ob sich nicht doch noch jemand meldet. Sie kann ja noch nicht lange unterwegs gewesen sein; sie war in einem höchst gepflegten Zustand.«
»Hatte ich auch den Eindruck.«
»Nur ihre gesellschaftlichen Fähigkeiten sind – gewöhnungsbedürftig. Nicht nur, dass sie die ganze Zeit brütend da oben sitzt und jeden mit Laserblitzen aus ihren Augen verscheucht, nein, die anderen akzeptieren das auch vollkommen klaglos. Wenn wir das Futter verteilen, dann gehen sie alle zur Seite, bis Madame gespeist hat und sich wieder auf ihren hohen Sitz verfügt.«
Was ihr gutes Vorrecht unter den Katzengeborenen war, befand Majestät. Immerhin hatte dieser Nathan einen Hauch von Verständnis bewiesen. Sie drehte langsam den Kopf zu ihm hin, um ihn durch das Gitter näher zu mustern. Groß für einen Menschen, dunkle Haare mit einem Hauch von Silber, lang, zu einem Zopf im Nacken gebunden. Das Gesicht eines Menschen, der viel draußen war. Eine Narbe am Kinn. Alt. Helle Augen. Augen, die sahen. Aha – ihre Witterung hatte also nicht getrogen. Und Ella verströmte Lockstoffe in seiner Gegenwart, die er allerdings nicht wahrnahm oder wahrnehmen wollte.
»Wie geht es deinen Schützlingen, Nathan?«
»Offensichtlich gut. Ich habe sogar den Verdacht, dass die Kätzinnen trächtig sind. Hoffentlich nicht von verirrten Hauskatern.«
Sie entfernten sich langsam, und Majestät sah ihnen nach.
Wenn sie doch nur eine Möglichkeit fände, aus diesem verfluchten Heim herauszukommen. Die Menschen kannten hier aber leider alle möglichen Schliche der Katzengeborenen, und keiner von ihnen erwies sich als so unachtsam, dass man zwischen seinen Beinen hätte hindurchschlüpfen können.
Vielleicht musste sie sich doch mit dem einen oder anderen hier verbünden. Alleine und in dieser jämmerlich kleinen Gestalt war sie hilflos.
Sehnsüchtig dachte Majestät daran, was sie mit der dämlichen Tür machen würde, wenn sie ihre wahre Größe zeigen dürfte. Ein Prankenhieb, und das Ding würde nur noch ein Splitterhaufen sein. Ah, und was würden sie kreischen, die Zweibeiner, wenn sie ihre Stimme erhob zum Kampfgesang!
Rattenkacke!
Sie zog sich wieder in ihren dumpf brütenden Zustand zurück.
Ganz gewiss war jemand aus Trefélin gekommen und suchte sie dort draußen. Und sie saß hier fest, ohne Ankh, ohne Ring, ohne Helfer.
Zwei weitere Tage dünstete sie stumme Wut aus, dann wurde plötzlich ihr Interesse geweckt.
Ein Mann mit einem kleinen Jungen tauchte auf, und mit ihm ein Korb, in dem eine Katze saß. Der Junge schien am Rand der Verzweiflung zu sein und steckte immer wieder seine Finger durch das Gitter des Korbes, um mit dem Insassen zu sprechen.
Ella war bei ihnen, betrachtete mitleidig das Menschenkind.
»Sind Sie sicher, dass es keine andere Lösung gibt?«
»Nein, ausgeschlossen. Ich habe einen Auftrag, der mich nach England führt, und da können wir die Katze nicht mitnehmen. Komm, Tommi, verabschiede dich von Mousche. Du bekommst ein anderes Tier, einverstanden?«
»Ich will aber Mousche«, flüsterte der Junge, und eine Träne kullerte über seine Wange. »Und er will bei mir bleiben.«
»Unsinn. Er wird sich hier bei den anderen Katzen gleich ganz wohlfühlen.«
»Nein, Papa. Bitte, können wir …«
»Es geht nicht. Und jetzt reiß dich zusammen. Ein Mann weint nicht!«
»Nun, darüber könnte man geteilter Meinung sein«, sagte Ella trocken und streichelte dem Jungen die Haare. »Ich kümmere mich um deinen Kater, Tommi.« Und zu dem Mann gewandt fragte sie: »Wann kommen Sie zurück?«
»In zwei Jahren.«
»Wenn Sie wollen, kann Mousche hier so lange als Pensionsgast leben.«
»Wir wissen noch nicht, wohin wir dann ziehen werden. Vermitteln Sie ihn weiter, er ist ein edles Tier. Hat damals einen Haufen Geld gekostet. So, und jetzt müssen wir
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