Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
wohl auch noch für ein besonderes Vergnügen.
Man lief sich als kleine Katze wirklich die Pfoten wund, dachte Nefer, als er am Abend endlich wieder weichen Waldboden unter den Sohlen spürte. Dieser Straßenbelag war mörderisch, fast so schlimm wie die Geröllflächen seiner Heimat.
Nachdem er einige Stunden geruht hatte, untersuchte er noch einmal gründlich die Umgebung des Dolmens. Ja, Majestät war hier gewesen. Sie hatte sich eine Kuhle unter einem Holunderbusch getretelt, dort nahm er ihre Witterung auf. Er verfolgte ihre Spuren – etwas mühselig, denn der Regen hatte sie fast verwischt – bis zu der Schutzhütte. Von dort an mischten sie sich mit denen eines Pferdes, was ihn verblüffte, und führten ihn schließlich zum Forsthaus. Hier waren sie noch einmal deutlich zu erkennen, dann aber schien Majestät sich buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben.
Der böse Verdacht keimte in Nefer auf, dass der Förster sie womöglich gefangen haben könnte. Er beobachtete das Treiben am Forsthaus einen Tag lang, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen. Frustriert machte er sich auf den Weg zurück zum Dolmen. Vielleicht hatte er mit der Suche nach dem Ankh mehr Glück. Wenn Majestät es in der Nähe des Dolmens verloren hatte – und das war es, was Mafed vermutet hatte, denn kurz vor dem Ziel hatte sie es noch zwischen den Zähnen getragen –, dann hätte sie es gewiss selbst wiedergefunden. Also musste sie es verloren und jemand anderes es aufgehoben und mitgenommen haben.
Etwas war am Dolmen geschehen.
Die Markierung des Waldkaters fiel ihm auf.
War sie in einen Kampf mit ihm verwickelt gewesen?
Vermutlich nicht, denn sonst hätte sie nicht den Ruheplatz unter dem Holunder gewählt.
Hatte ein anderes, gefährliches Tier Majestät angegriffen? Ein Hund? Ein Wolf?
Keine Spuren davon. Nur kleine Waldbewohner und Menschen.
Also Menschen.
Nefer legte sich zum Nachdenken in Majestätens Kuhle.
Es gab Menschen, die Freude daran hatten, Tiere zu fangen und zu quälen. Während seiner Ausbildung hatte der Seelenführer Imhotep ihnen das in den entsetzlichsten Farben geschildert. Er musste es wissen, denn er hatte die hochgeachtete Aufgabe übernommen, die Seelen der geschundenen Katzengeborenen zu den Goldenen Steppen zu geleiten. Eines der wenigen Ämter, die Nefer für sich ausgeschlossen hatte, obwohl es sicher höchst verdienstvoll war.
Aber von Imhotep wusste er, dass Menschen Katzen in Laborkäfige einsperrten und ihre gefährlichen Mittel an ihnen ausprobierten, dass sie ihnen Fremdkörper einpflanzten und sie verstümmelten, um ihrer sogenannten Wissenschaft willen. Es gab andere, die einfach Freude am Quälen hatten, die sie zu dunklen Zwecken opferten oder folterten. Wenn jene Katzen in Schmerz und Verzweiflung starben, waren ihre Seelen verwirrt und brauchten Hilfe, um zu jener Stätte zu kommen, wo sie Vergessen und Heilung fanden.
Hatten sich hier an diesem Dolmen Menschen eingefunden, die auf der Suche nach einem Tier waren, das sie quälen konnten? Ist dabei Majestät auf der Flucht vor ihnen das Ankh abhandengekommen? Hat einer dieser Menschen den Anhänger an sich genommen?
Eine Katastrophe!
Wie konnte er herausfinden, wer es jetzt besaß?
Hatte jemand das Geschehen beobachtet?
Nefer kratzte sich am Ohr. Der goldene Ring darin schwankte hin und her. Gut, der befähigte ihn, die Gestalt zu wandeln. Er könnte selbst auch zum Menschen werden, aber so gut kannte er sich mit den Gepflogenheiten der Zweibeiner nun auch wieder nicht aus. Und Gefahr laufen, wie seine Begleiter wegen irrsinnigen Verhaltens eingesperrt zu werden, wollte er nicht.
Vielleicht hatte der Waldkater etwas gesehen?
Nefer erhob sich und setzte eine herausfordernde Markierung neben die des Katers an einen Baum.
Würde der vermutlich als Aufforderung zum Kampf werten. Aber davor hatte Nefer keine Angst. Grenzkämpfe hatte er in den vergangenen Jahren oft genug ausgefochten.
Selbstbewusst streckte er die Nase in die Luft.
Ein Kampf käme ihm derzeit sogar ziemlich entgegen. Der Frust fraß allmählich seine Geduld auf.
12. Aufnahme der geschundenen Seelen
Vorsichtig führte Imhotep die Seele der Kätzin zum Hellen Bach. Seit Stunden schon bemühte er sich, das zerfranste Häufchen aus Qual und Leid in seiner Nähe zu halten, es daran zu hindern, Irrwege einzuschlagen, hatte sich die Jammerlaute angehört, Nachhall der Schmerzen, die man ihrem lebenden Körper zugefügt hatte. Sie war Worten nicht mehr
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