Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
weder sprechen noch denken, noch können sie planen, noch zwischen Gut und Böse unterscheiden. Also haben Menschen bei ihrer Geburt nach Ihrer Definition auch keine Seelen.«
»Der Mensch hat dem Odem …«
»Quatsch. Der Mensch hat ja angeblich auch seine Erbsünde mit auf den Buckel geschnallt bekommen und kriegt die nur los, wenn er ordentlich betet und beichtet. Wer gibt Ihnen eigentlich das Recht, Herr Pfarrer, zu beurteilen, was Tiere denken oder glauben? Könnte es nicht sein, dass die Tiere untereinander sehr wohl eine Sprache und eine Kultur entwickelt haben, die wir Menschen mit unserem verblödeten Krone-der-Schöpfung-Dünkel nur nicht zu sehen bereit sind? Könnte es nicht sein, dass auch die Tiere eine Religio – eine Rückverbindung zu dem haben, was sie als ihren höheren Geist anerkennen? Könnte es nicht sein, Herr Pfarrer, dass beispielsweise die Katzen sehr wohl eine katzenköpfige Göttin anerkennen? Könnte es nicht sein, dass die alten Ägypter der tierischen Seele da weit mehr Verständnis entgegengebracht haben als wir ach so frommen Christen?«
Schweigen herrschte im Klassenraum.
Feli stürzte drei große Schlucke Wasser hinunter.
Nathan Walker erhob seine ruhige, tiefe Stimme.
»Ich komme tagtäglich mit den Tieren des Waldes zusammen, nicht domestizierte Tiere, wohlgemerkt. Und ich bin dabei jeden Tag aufs Neue beeindruckt davon, mit welcher Klugheit sie sich an die ständig wechselnden Umgebungssituationen anzupassen in der Lage sind. Wir haben beispielsweise ein Projekt begonnen, die beinahe ausgestorbene Waldkatze wieder auszuwildern. Sie werden in geschützten Gehegen großgezogen und dann in für sie artgerechten Revieren ausgesetzt.«
Er erzählte gut und fesselnd, und die Diskussion wandte sich wieder dem Tierschutz zu.
Felis Herz hatte sich beruhigt, und allmählich traute sie sich auch wieder, die Augen zu heben. Der schöne Pfarrer saß angespannt hinter dem Tisch und wartete offensichtlich darauf, noch einmal seinen Standpunkt vertreten zu können, aber Grünchen hatte die Moderation nun wieder fest im Griff, und schließlich erklang die Glocke, die das Ende der Stunde bekannt gab. Danksagung und Verabschiedung erfolgten, und die heilige Lotti heftete sich sofort an Herrn Pfarrers Jackett.
Feli stand ebenfalls auf und ging mit Kris in die Pause.
»Du warst klasse!«, flüsterte ihre Freundin.
»Ich weiß nicht. Das kam plötzlich über mich. Ich bin doch sonst gar nicht so patzig.«
»Ich fand dich mutig. Und ich wäre auf den Vergleich mit den Babys nicht gekommen. Der war echt gut!«
»Ich bin nur froh, dass der Förster angefangen hat, über die Waldkatzen zu reden. Ich glaube, wenn Seine dornenvögelige Scheinheiligkeit irgendwas erwidert hätte, hätten mir die Worte gefehlt.«
»Dir doch nicht.«
Feli zuckte mit den Schultern und sah zum Parkplatz hinüber. Herr Walker stand noch da und sprach mit dem Bio-Lehrer. Sie fasste sich plötzlich ein Herz.
»Warte auf mich, Kris. Ich muss noch was erledigen.«
Noch einmal griff sie unwillkürlich an das Ankh, merkte es und ließ die Hand sinken. Komisch, dass sie immer damit herumspielte. Dann hatte sie den Förster erreicht. Er verabschiedete eben den Lehrer und sah ihr entgegen.
Feli spürte seinen intensiven Blick und schluckte. Aber dann räusperte sie sich und sagte: »Danke, Herr Walker.«
»Wofür, junge Frau?«
»Dass Sie über die Waldkatzen gesprochen haben.«
Plötzlich zuckte ein Lächeln in seinem Mundwinkel auf.
»Bedanken sollte sich lieber der Pfarrer. Seine unsterbliche Seele, oder besser, seine Haut habe ich mich zu retten bemüht.«
»Bitte?«
»Sie sahen aus wie eine Wildkatze auf dem Sprung, junge Frau. Eine Jägerin, bereit, ihm mit Krallen und Reißzähnen das Fell über die Ohren zu ziehen.«
»Ich?«
»Haben Sie eine Katze?«
»Ähm – nein.«
»Sie sollten eine zu sich nehmen. Ich glaube, sie würden einander gut verstehen. Einen schönen Tag noch.«
16. Entführung
Nefer saß auf dem Dach des Containers, in dem seine Begleiter und der Jungmensch namens Finn hausten. Derzeit waren sie auf den Feldern und pflückten, zusammen mit einer buntgemischten Mannschaft, Erdbeeren. Ein übles Geschäft, wenn man Sem glauben durfte, und mehr als einmal hatten sie Nefer einen Feigling genannt, weil er als Kater seine Tage in der Sonne verfaulenzen konnte. Andererseits hatten sie ja auch zwei Wochen zuvor gefaulenzt, während er sich die Pfoten wund gelaufen hatte.
Immerhin, Finn
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