Jägermond Bd. 1 - Im Reich der Katzenkönigin
Menschenwelt zu reisen, hat man sie nach und nach geschlossen. Außerdem hatten sich die Grauen Wälder ausgebreitet, und man wollte vermeiden, dass sich Unbedarfte darin verirrten.«
»Aber in dieser Welt hier gibt es mehrere Einschlüpfe, hast du gesagt.«
»Ja, allerdings ist das Wissen darüber bei den Menschen verloren gegangen. Nur wir kennen sie – wir halten sie offen, denn es sind unsere Fluchtwege.«
»Oh, ich verstehe.«
»Und einen davon müssen wir jetzt finden.«
»Und wie, mein lieber Kater?«
»Mit dem Ankh, dem Ring und deiner Gabe, Felina.«
Felina nickte. Gestern hatten sie und Nefer eine entsetzliche Entdeckung gemacht. Es war zunächst ihre Idee gewesen, zu dem Hügelgrab im Wald zu radeln – Nefer liebte es, im Lenkerkorb zu sitzen und sich den Wind durch die Barthaare wehen zu lassen –, um sich die Stelle einmal gründlich anzusehen. Es war auch ihre Idee gewesen, und darauf war Feli richtig stolz, Nefer vorzuschlagen, dort eine deutliche Markierung für seine Königin zu hinterlassen. Falls sie sich in der Nähe aufhielt, sollte sie wenigstens wissen, dass Hilfe nahe war.
Nefer hatte die Umgebung gründlich abgeschnüffelt, hier und da seine Botschaften hinterlassen, indem er sein Mäulchen an Stein und Borke rieb und hier und da etwas Urin verspritzte.
Dann war er in den Dolmen gekrochen und schon nach kurzer Zeit zurückgekommen.
»Da stimmt was nicht. Gib mir den Ring!«
»Das glaubst du doch selber nicht. Dann verschwindest du sang- und klanglos und lässt mich hier sitzen.«
»Sei doch nicht blöd. Ich lass doch das Ankh nicht hier.«
»Très charmant!«
»Felina!«
»Ich lasse dich auch gerne alleine hier, mein Süßer – ohne Ring, ohne Ankh, ohne Fahrrad!«
Er hatte sie in die Wade getatzt.
Sie hatte wortlos das Blut abgetupft und sich auf ihr Rad geschwungen.
Dieser Kater konnte namenlos arrogant sein. Sie war stinkend sauer auf ihn.
Allerdings war sie nach hundert Metern wieder umgekehrt. Immerhin hatte sie versprochen, ihm zu helfen.
Nefer saß mit dem Rücken zu ihr auf dem Deckstein des Dolmens und machte einen verlorenen Eindruck.
»Was hältst du von dem Wörtchen ›Bitte‹?«, fragte sie und strich ihm über den Nacken.
Er linste schief zu ihr hoch.
»Ich lerne dessen Wert gerade zu schätzen.«
»Aha.«
»Da im Dolmen scheint eine Barriere zu sein. Ich kann das aber nur überprüfen, wenn ich einen Ring im Ohr trage. Weißt du, diese Ringe sind so was wie Wegweiser. Sie – mhm – schnurren irgendwie.«
»Schnurren?«
»Oder summen oder sirren. Das hat was mit den Pfaden zu tun. Vermutlich so ähnlich wie das, was du mit dem Pendel spürst.«
»Interessant.«
»Ich komme wieder, in die Pfote versprochen!«
Feli knispelte den Ring aus dem Ohr, und Nefer drehte ihr das seine zu. Ein kleines Löchlein zeigte ihr, wo sie ihn anbringen musste.
Dann schlüpfte er noch einmal in den Dolmen.
Und kam verstört zurück.
»Maumirr. Mirrip!«
Feli hatte sich schon so daran gewöhnt, den Kater zu verstehen, dass sie ihn erst einmal irritiert ansah. Erst als er wild mit der Pfote gegen sein Ohr schlug, machte sie ihm den Ring ab und steckte ihn sich wieder an.
»Große Rattenscheiße, Feli. Jemand hat den Eingang versiegelt. Von der anderen Seite vermutlich.«
»Jemand will nicht, dass du zurückkommst?«
»Jemand will nicht, dass irgendwer zurückkommt.«
»Die Königin nicht.«
»Ein furchtbarer Gedanke. Verdammt.«
»Aber sie brauchen das Ankh, hast du gesagt.«
»Jemand weiß, wo es ist, und jemand wird kommen und es holen.«
»Finn. Finn weiß, dass ich es habe.«
Nefer nickte, und die Wut bildete eine schwarze Wolke um ihn.
»Sie scheint Feinde im eigenen Land zu haben, eure Königin.«
»Sieht ganz so aus«, grollte er.
»Dann müssen wir also jetzt auf jemanden warten, der mir den Anhänger abschwatzen will und dem dann die Kehle zerfetzen, oder?«
»Ich, nicht du.«
»Scherzkeks!«
Sie setzten sich beide an den Dolmen und versanken in Nachdenken. Dabei stahlen sich Felis Finger in Nefers Nacken und kraulten ihn sacht. Nach einer Weile schnurrte er leise, und die düstere Wolke verflüchtigte sich.
»Wir können nicht einfach abwarten, bis jemand kommt. Das ist zu gefährlich, Feli«, brummelte er schließlich.
»Nein, das können wir nicht. Als Erstes solltest du eine Warnung an deine Königin hinterlassen. Und zweitens – tja, Nefer, wenn jemand herkommen kann, um mir das Ankh wegzunehmen, dann muss es ja wohl noch
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