Jägermond Bd. 2 - Im Auftrag der Katzenkönigin
ihnen der Lebensraum dort überlassen wurde, aber ein Mitspracherecht in den Angelegenheiten des Landes hatten sie nicht. Amun Hab hatte ihr erklärt, dass die Greifvögel dort ihr Revier hatten. Auch mit ihnen war vereinbart worden, dass man sich gegenseitig nicht die Beute streitig machte. Vor allem aber, dass weder die Katzen sich an den Gelegen der Vögel vergriffen noch die Räuber der Lüfte den Katzennachwuchs jagten.
Gegen Mittag hatten die drei den Grenzfluss zum Kratzforst erreicht. Eilig strömte der Avos Yen, der Kalte Fluss, zwischen dem Weideland des Laubentals und dem Nadelwald, das die fel’Sapin bewohnten. Dieser Clan, hatte Nefer erklärt, stellte oft die Hofdamen. Die langhaarigen Bewohner galten als ein wenig eitel.
»Wie kommen wir über den Fluss?«, fragte Feli, als sie ein paar Schlucke von dem eisigen, aber köstlichen Wasser geschlappt hatte.
»Einige Schritte östlich von hier verbreitert er sich und wird flacher. Geröll liegt im Flussbett, man kann fast mit trockenen Pfoten drüberspringen.«
»Machen wir vorher Schläfchen, ne«, empfahl Che-Nupet und streckte sich schon wieder lang aus. »Ist schön warm, ja, ja.«
»Che-Nupet, ich hab es eilig!«
»Ich nicht.«
Feli sah von einem zum anderen. Zwei unterschiedlichere Lebenseinstellungen gab es wohl gar nicht. Nefer, immer begierig etwas zu regeln, zu unternehmen, voranzutreiben, Che-Nupet, die Trägheit und Gelassenheit mimte. Und doch konnte die Freundin schneller sein als selbst der fähigste Bote. Darum schlug sie vor: »Gehen wir einfach schon voran, Nefer. Che-Nupet folgt uns dann.«
»Wir sollten zusammenbleiben«, murrte Nefer.
»Gut, dann ruhen wir eben ein bisschen. Ich fühle mich auch schlafbedürftig«, sagte Feli und legte sich neben die mollige Katze, die schon in tiefstem Schlummer zu liegen schien. Bauch oben.
»Aber nicht zu lange«, mahnte Nefer und rollte sich um Feli. Sie kuschelte sich an sein schwarzes Fell, das in der Sonne richtiggehend heiß geworden war. Zufrieden schnurrte er und grub seine Nase in ihren Nacken.
Ausgeruht machten sie sich wieder auf den Weg, als die Sonne sich anschickte, hinter den Bergspitzen zu versinken, und lange Schatten über dem Land lagen. Der Fluss ließ sich wirklich leicht überqueren, die Grenzwachen der fel’Sapin akzeptierten ihr Eindringen, und in der hereinbrechenden Dämmerung durchwanderten sie den harzig duftenden Pinienwald. Er wurde dichter und dunkler, als hohe Tannen das Gebiet beherrschten, und zur gefühlten Mitternacht legten sie eine weitere Rast ein.
Der Morgen brachte Feli in den Genuss eines gerupften, hühnergroßen Waldvogels, den Che-Nupet ihr vor die Pfoten legte. Sie fragte nicht so genau nach, um was es sich handelte, und fraß ihn auf. Gebraten hätte er vermutlich besser geschmeckt, aber satt wurde sie davon.
Weiter ging es durch den Nadelwald, der nicht zu Unrecht Kratzforst hieß, bis er lichter und lichter wurde und in einzelne Zypressen und Wachholdergruppen überging. Feli sog genussvoll das warme Aroma ein, das sie in der Sonne verströmten. Während ihrer Wanderung waren sie alle schweigsam gewesen, nur hier und da hatte Nefer auf den Weg gewiesen oder sie auf eine Besonderheit im Gelände aufmerksam gemacht. Dabei stiegen sie stetig bergan, denn der nächste Grenzfluss, der die Witterlande vom Kratzforst trennte, war am einfachsten in der Nähe seiner Quelle zu überschreiten. Als sie den munter über die Steine plätschernden Avos Brug erreicht hatten, erklärte Nefer: »Hier werden wir noch höher in die Berge gehen. Amun Hab sagt, es sei die beste Möglichkeit, die Adler zu treffen. El Rey hat hier oben seinen Horst.«
»Kann ich hoch, ne. Bin ich schnell, ja«, schlug Che-Nupet vor.
Ein wenig misstrauisch zuckten Nefers Barthaare.
»Ich weiß nicht …«
»Weiß ich.«
»Ich glaube, das ist eine gute Idee, Nefer. Che-Nupet ist sehr ausdauernd. Viel mehr als ich.«
»Aber werden die Adler überhaupt auf sie hören?«
Feli dachte an den kurzen Augenblick, in dem sie Che-Nupet in ihrer wahren Gestalt gesehen hatte. Wenn ein Adler auf jemanden hörte, dann auf sie. Ihre Möglichkeiten waren weit größer als Nefers. Aber das verschwieg sie besser.
»Lass sie es versuchen. Du weißt doch, dein Vater vertraut ihr.«
Gerne schien Nefer das nicht zu hören, aber schließlich nickte er.
»Dann los, Che-Nupet.«
»Mach ich. Bring ich Adler mit, ne.«
Sie schoss los, und Nefer sah ihr verdutzt nach.
»Na, wenn ihr das gelingt
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