Jagd auf eine Bestie 2. Teil: Thriller (German Edition)
Geschäftsreise zurückkehrte. Vielleicht heute Nacht.
Bis zum späten Nachmittag war Kerner mit Bice unterwegs. Immer wieder suchten sie sich einen Platz, wo sie sich in die Sonne setzten, den Ausblick genossen und die Gelegenheit nutzten, vollkommen unbeobachtet zu sein. Zärtlich streichelte Bice über sein Gesicht. »Was machst Du, Victor, wenn Deine Geschäfte mit meinem Vater abgeschlossen sind?«, fragte sie leise. Lange betrachtete Kerner sie. »Ich weiß es nicht. Sag Du es mir, Bice.« Sie legte den Kopf auf seine Schulter und sah hinaus auf den See. »Könntest Du Dir vorstellen, mit mir zusammen zu sein? Ich meine richtig zusammen, mit mir zu leben, Victor?« Kerner war erschrocken über die Frage. Er nahm ihren Kopf und drehte ihn zu sich. Er sah in die bernsteinfarbenen Augen von Bice und wusste, dass es ihr völlig ernst war. Er fühlte sich innerlich zerrissen. Er liebte Bice. Nichts wünschte er sich mehr als ein Leben mit ihr, und gleichzeitig war er dabei, einen gemeinen Verrat an dieser Liebe zu begehen. Er wollte diese Frau nicht mehr verlieren, aber wie sollte das unter diesen Umständen möglich sein? In dem Moment, in dem sie erfahren würde, wer er war, wäre sie seine Feindin. »Bice, Du kennst mich kaum, weißt so gut wie nichts von mir.« Kerner nickte mit dem Kopf in Richtung der kleinen Orte unten am See. »Weißt du Bice, ich glaube ich gehöre eher zu den Leuten da unten, als in Eure Welt hier oben. Verstehst Du, was ich damit meine? Du bist in eine Welt geboren, die nie meine sein kann. Außerdem würde Deine Familie es nicht akzeptieren.« Bice hob den Kopf. »Meine Welt? Meine Welt, das ist für mich mein Vater und mein Bruder. Nicht das, was Du hier alles siehst. Glaubst Du, ich hänge an solchen Dingen, Victor? Dann hättest Du Dich sehr in mir getäuscht. Solange mein Vater noch lebt, braucht er mich. Niemals würde ich ihn alleine lassen. Aber dann ... !? Mein Bruder führt sein eigenes Leben. Ein Leben, das so ganz anders ist, als ich es für mich will. Das heißt nicht, dass er mich nicht sehr liebt und ich ihn. Doch wenn mein Vater nicht mehr da ist, werde ich mein eigenes Leben beginnen.« Bice sah hinunter zu den Dörfern am See. »Vielleicht auch da unten.« Kerner nahm sie in den Arm und küsste sie.
Für den Rest des Nachmittags hatte die Welt um sie keine Bedeutung mehr. Erst am frühen Abend kehrten sie zum Haus zurück. Nach dem Abendessen saßen sie noch eine Weile zusammen mit dem alten Conte im Kaminzimmer. Er erklärte Kerner die Untersuchungen, die sie heute an dem Gemälde vorgenommen hatten. Mit den bisherigen Ergebnissen zeigte er sich zufrieden. Obwohl ihm dieser Tag wahrscheinlich ein Gefühl der Hochstimmung vermittelt hatte, sah er elend aus. Er hatte starke Schmerzen, und Bice brachte ihn zu seinem Zimmer. Als sie zurückkehrte, zeigten sich in ihrem Gesicht tiefe Sorgenfalten. »Es tut mir leid Victor, aber ich muss mich heute Nacht um Papa kümmern. Es geht ihm schlecht. Er braucht mich vielleicht.« Sie kam zu dem Sessel, in dem Kerner saß, und setzte sich auf seinen Schoß. Sie küsste ihn zärtlich und lächelte. »Wir sehen uns morgen früh. Es war ein wunderschöner Tag, Victor. Schlaf gut.« Bice stand auf und ließ Kerner allein vor dem Kamin zurück. Er ließ sich Zeit. Eine ganze Weile blieb er noch am Kamin sitzen und dachte nach. Über sich, über Bice, den Clan der Vigianis, die Grabritter und wie unvereinbar all diese Dinge doch waren. Maria sah noch einmal kurz herein und fragte ihn, ob er noch irgendetwas brauchen würde. Dann wünschte auch sie eine gute Nacht.
Im Haus war es ruhig geworden. Nur das leise Prasseln vom Feuer aus dem Kamin war noch zu hören. Kerner stand auf und ging in sein Zimmer. Einen Moment lang wartete er noch, dann nahm er einen dunklen Trainingsanzug aus dem Schrank und packte ein paar Utensilien zusammen, die er in einer kleinen Tasche verstaute. Mit einem Gürtel band er die Tasche um die Hüften, ging zum Fenster und öffnete es. Es befand sich in einem Seitenflügel im zweiten Stock des Hauses. Niemand war zu sehen.
Der Springbrunnen, an dem sich nachts eine Wache befand, war von hier aus nicht zu sehen. Er lag auf der anderen Seite. Nicht ganz fünfzig Meter vom Fenster entfernt begann ein Waldstück, das sich weitläufig um das Haus erstreckte. Kerner lehnte sich etwas hinaus und suchte die Wand mit seinen Augen ab. Schon heute Morgen hatte er nicht ganz zwei Meter vom Fenster entfernt
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