Jagd auf Roter Oktober
finanzieren und einen Doktortitel in Kybernetik zu erwerben. Später wollte er dann im Forschungslabor der Marine arbeiten. Lieutenant Thompson glaubte ihm das. Als er vor sechs Monaten auf die Dallas gekommen war, hatte er sich die Akten aller Besatzungsmitglieder angesehen. Jones hatte einen Intelligenzquotienten von 158, bei weitem den höchsten auf dem Boot. Jones hatte ein sanftes Gesicht und traurige braune Augen, die Frauen unwiderstehlich fanden. Am Strand war er nie ohne Gesellschaft. Lieutenant Thompson verstand das einfach nicht. Er selbst war ein Football-Held gewesen. Jones war ein dürrer Knabe, der Bach hörte.
USS Dallas, ein Jagd-U-Boot der 688 -Klasse, fuhr vierzig Meilen vor Island auf seine Patrouillenstation zu, die den Codenamen »Zollhaus« trug – um zwei Tage verspätet. Vor einer Woche hatte sie an dem NATO-Manöver FLINKER DELPHIN, das wegen der schlechtesten Wetterverhältnisse seit zwanzig Jahren verschoben worden war, teilgenommen. Bei dieser Übung war Dallas zusammen mit HMS Swiftsure unter dem Deckmantel des miserablen Wetters in die simulierte Feindformation eingedrungen und hatte dort Verheerung angerichtet; eine erneute Bestleistung der Dallas und ihres Skippers, Commander Bart Mancuso, einem der jüngsten U-Boot-Kommandanten der US-Navy. Nun hatten sie einen anderen Auftrag im Zusammenhang mit einer neuen U-Boot-Taktik im Atlantik. Im Lauf der nächsten drei Wochen sollte Dallas über Verkehr auf der Roten Route Eins berichten.
Seit vierzehn Monaten hatten sich neuere russische U-Boote mittels einer sonderbaren, aber wirksamen Methode ihrer amerikanischen und britischen Beschatter entledigt. Südwestlich von Island jagten die sowjetischen Boote an der Reykianes-Kette entlang, die wie ein Finger hinaus ins Atlantikbecken wies und deren zwischen einem und acht Kilometer voneinander entfernte Berge aus hartem Eruptivgestein sich mit den Alpen messen konnten. Ihre Gipfel lagen rund dreihundert Meter unter der stürmischen Oberfläche des Nordatlantik. Bis zu den späten sechziger Jahren konnte sich ein U-Boot kaum den gewaltigen Unterwasserbergen nähern, geschweige denn in ihre zahllosen Täler wagen. Während der siebziger Jahre waren Vermessungsschiffe der Sowjetmarine beim Patrouillieren an der Kette gesichtet worden – zu allen Jahreszeiten, bei jedem Wetter hatten sie das Gebiet in Tausenden von Fahrten durchstreift. Dann, vor vierzehn Monaten, war USS Los Angeles einem sowjetischen Jagd-U-Boot der Victor-II -Klasse auf den Fersen gewesen. Das Victor hatte die isländische Küste umfahren und war kurz vor der Bergkette tief abgetaucht, gefolgt von Los Angeles, um sich dann mit acht Knoten Fahrt den als »Thors Zwillinge« bekannten ersten beiden Bergen zu nähern. Und ganz plötzlich ging sie auf Höchstgeschwindigkeit und entfernte sich in südwestlicher Richtung. Der Skipper der Los Angeles war ihr entschlossen gefolgt, was ihn einige Nerven kostete. Obwohl die Boote der 688 -Klasse schneller sind, hatte der Russe die Fahrt einfach nicht verringert – fünfzehn Stunden lang, wie sich später herausstellte.
Anfangs war die Verfolgungsjagd nicht so gefährlich gewesen. U-Boote verfügen über hoch akkurate Trägheitsnavigationssysteme, mit deren Hilfe sie ihre Position von einer Sekunde auf die andere bis auf einige hundert Meter bestimmen können. Das Victor aber fegte an Steilwänden entlang, als könne ihr Skipper sie sehen, wie ein Kampfflugzeug, das in einem engen Tal Flugabwehrraketen zu entkommen sucht. Und die Los Angeles verlor die Übersicht. Bei Geschwindigkeiten über zwanzig Knoten waren ihre passiven und aktiven Sonar-Systeme einschließlich des Echolots nutzlos. So kam es, dass die Los Angeles völlig blind navigierte. Es war, berichtete der Skipper später, als säße man in einem Wagen mit undurchsichtigen Scheiben und steuerte nach Karte und Kompass. Dies ist zwar theoretisch möglich, aber der Kapitän erkannte bald, dass das Trägheitsnavigationssystem eine Missweisung von mehreren hundert Metern hatte; diese wurde durch Gravitationsstörungen noch verschlimmert. Ärger noch, seine Seekarten waren für Überwasserschiffe bestimmt. Es ist bekannt, dass Objekte in großer Tiefe oft Meilen von ihrem tatsächlichen Standort eingezeichnet sind, was bis kürzlich niemanden störte. Der Abstand zwischen den Bergen war rasch geringer geworden als die mögliche Missweisung – früher oder später musste das U-Boot mit über dreißig Knoten gegen einen
Weitere Kostenlose Bücher