Jagdfieber
Gerichtssaal bereits zu unzähligen Verurteilungen seiner Angeklagten verholfen hatte. Jason Mancini war einzigartig und wurde von den Männern gehasst und von den Frauen geliebt. Dazwischen gab es nichts.
Ihre Finger bebten wie verrückt, und bevor sie den Inhalt ihres Weinglases auf der Tischdecke verteilte, ließ sie es sinken und stellte es vorsichtig auf der Tischplatte ab. Danach atmete sie erst mal durch und schielte verstohlen zu dem ungewöhnlichen Pärchen. Die beiden hatten ihren Tisch glücklicherweise im hinteren Restaurantbereich und waren gerade dabei, Platz zu nehmen. Jason rückte Charlotte dabei ganz gentlemanlike den Stuhl zurecht, ehe er sich ihr gegenübersetzte und die bereitgelegte Speisekarte zur Hand nahm. Da er sich nicht groß umschaute, wagte sie es, Jason zu mustern, und erhaschte einen flüchtigen Blick auf sein Profil. Für eine winzige Sekunde blieb ihr das Herz stehen, weil sie das gleiche verrückte Kribbeln verspürte wie früher. Es war deutlich schwächer, mit Leichtigkeit überlagert von ihren Gefühlen für Victor, doch es war noch da. Leise und unter der Oberfläche, aber dennoch nicht weniger gefährlich. Paige wurde panisch, fühlte sich verwirrt und vollkommen überfordert, weil sie nicht wusste, wie ihr geschah. Dass Jasons rigide Männlichkeit sie nach wie vor so beeindruckte, war beängstigend, und sie fragte sich, was für ein Mensch sie sein musste, wenn sie so unbeständig in ihren Gefühlen war. Victor oder Jason, Jason oder Victor. Die Namen verschmolzen, die Gesichter vereinten sich zu einem, bis sie zu einer hässlich grinsenden Maske wurden, aus der anklagende Augen stachen. Eines war blau wie der atlantische Ozean, das andere so schwarz wie eine sternenlose Nacht. Beide tiefgründig, beide wunderschön, doch eines musste verschwinden. Und zwar endgültig.
„Paige, ist alles okay mit dir? Du siehst aus, als wäre dir ein Geist begegnet.“
Welch exakte Wiedergabe ihrer Gefühlslage. Victors Frage riss sie aus ihrer Starre, und sie riss sich zusammen.
„Es ist alles okay soweit. Ich war nur in Gedanken.“
Er schien beruhigt und widmete sich wieder seinem Essen. Paige überlegte indessen fieberhaft, was sie nun tun sollte. Offenbar hatte sie Charlotte unterschätzt, denn sie hatte zweifelsohne dafür gesorgt, dass Jason hierher nach London reiste. Und ganz sicher baute diese falsche Schlange darauf, dass Victor kein Sterbenswörtchen von der Affäre wusste und ihr den Laufpass geben würde, sobald er Wind davon bekam. Eines musste man diesem intriganten Biest lassen: Sie hatte instinktiv den richtigen Riecher bewiesen.
Am liebsten hätte sie das Mobiliar im Restaurant kurz und klein geschlagen. Warum, verdammt noch mal, hatte sie nicht den Mund aufgemacht und Victor von den Geschehnissen in Dallas erzählt, als noch Zeit gewesen war? Dieses Versäumnis musste sie jetzt umgehend nachholen und hoffen, dass es dafür nicht zu spät war. Während sie sich fast die Lippen blutig biss, zupfte sie an Victors Jackett, und er wandte sich lächelnd um.
„Was gibt’s?“, flüsterte er so leise, dass nur sie ihn hören konnte.
„Mir geht es doch nicht so gut“, erwiderte sie nicht minder leise.
Das war nicht mal gelogen. Selten war ihr so schlecht gewesen wie in diesem Augenblick.
„Soll ich dich nach Hause bringen?“
Nach Hause. Er sagte das, als würde er das tatsächlich so meinen, als würde sie nach Seymour Manor gehören und damit auch zu ihm.
„Das wäre toll“, stimmte sie zu und konnte es kaum erwarten, hier rauszukommen. Wenn Jason nur einmal den Kopf in ihre Richtung drehte …
„Wir gehen“, sagte Victor gleich darauf und erntete erstaunte Blicke von allen Versammelten. Erklärend fügte er hinzu: „Paige ist ein bisschen grün um die Nase, wie ihr alle sehen könnt. Ich glaube, es wäre besser, wenn ich sie zurück nach Seymour Manor bringe, ehe sie ihr Abendessen im Restaurant verteilt.“
Sie verpasste ihm einen Tritt unter dem Tisch, den er lediglich mit einem frechen Grinsen quittierte. Ihr Herz machte einen kurzen Satz, weil ihm dieses jungenhafte Lächeln so gut stand, dann warf sie aber einen entschuldigenden Blick in die Runde.
„Es tut mir leid, aber ich fühle mich wirklich nicht gut, und ich möchte morgen gerne wieder fit sein, wenn ich mich mit meiner Mutter treffe.“ Sie blickte zu Madeline, deren mitfühlendes Lächeln augenblicklich erstarb. „Soll ich sie von Ihnen grüßen, Madeline? Wie sie mir neulich erst
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