Jagdfieber
schrecklichen Streit. Sie wollte ihn verlassen und zu ihrem Liebhaber ziehen, doch mein Vater hat sie unter Druck gesetzt und ihr gedroht, dass sie Ryan nie wiedersehen würde, wenn sie nicht bei ihm bliebe.“ Ein desillusionierter Zug nistete sich um seine Mundpartie ein. „Er hat genau gewusst, was er ihr damit antut, vor welche Wahl er sie stellt. Meine Mutter war eine fürchterliche Ehefrau, aber als Mutter sehr liebevoll. Für Ryan und mich hätte sie sich bei lebendigem Leibe zerfleischen lassen, das zumindest muss man ihr zugutehalten, auch wenn sie zu meinem Vater sehr grausam war. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er ihr Ryan wegnehmen könnte, er war ja noch so jung, und deswegen hat sie eingelenkt.“ Er hielt inne und starrte auf den Boden. „Damit hat sie ihr Schicksal besiegelt. Sie sind noch am gleichen Abend zu einer Party aufgebrochen. Auf der Fahrt muss es erneut zu einer Auseinandersetzung gekommen sein, und mein Vater ist gegen einen Baum gefahren. Meine Mutter starb noch an der Unfallstelle, mein Vater einige Tage später an einer Lungenembolie.“
Seine Augen wirkten seltsam leer, während er vom Tod seiner Eltern sprach, als würde ihn das gar nicht berühren, doch sie wusste es besser.
„Konntest du noch mal mit ihm reden?“
Victor nickte. „Ja, er war noch bei Bewusstsein, auch wenn ich geahnt habe, dass er Mutter folgen würde. Für meinen Vater war das Leben ohne sie nicht mehr lebenswert. Er hat mir sozusagen auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, mich nie derart von einem anderen Menschen abhängig zu machen. Er hat eine Frau geliebt, die einfach nicht treu sein konnte, und wollte mir so ein Schicksal ersparen.“ Seine Stimme bekam einen nachdenklichen Unterton. „Ich war überrascht, wie genau er seine Lage reflektiert hat, wie sehr er sich seiner eigenen Schwäche bewusst war. Und doch hat er seine Frau vergöttert. Es war beinahe schon krankhaft. Ein alter Narr, der nie aufgehört hat zu hoffen, er würde eines Tages vielleicht doch ihr Herz erobern.“
Paige kam ein schrecklicher Gedanke.
„Meinst du, dein Vater hat absichtlich …“ Diese Möglichkeit war so grauenhaft, dass sie die Vermutung gar nicht laut aussprechen konnte.
Victor hob ein wenig hilflos die Schultern. „Keine Ahnung. Natürlich ist mir etwas Derartiges auch durch den Kopf gegangen, doch er hat strikt geleugnet, den Unfall absichtlich verursacht zu haben.“
Sie wollte nicht weiter darauf rumreiten. Paige spürte, wie schmerzhaft die Erinnerungen auch nach all den Jahren noch waren, und sie war überrascht, dass ein nach außen hin so harter und gleichgültig wirkender Mann so tiefe Wunden in sich trug, die bis heute nicht verheilt waren.
„Weißt du, wer der Mann war, zu dem deine Mutter wollte?“
Eigentlich rechnete sie nicht wirklich damit, dass er den Namen des Liebhabers preisgeben würde, und als er es doch tat, fiel ihr praktisch die Kinnlade herunter.
„Ihr Liebhaber war William Fitzroy.“
Paige schnappte nach Luft. Heilige Scheiße! Charlottes Ehemann. Das war allerdings eine Überraschung, auch wenn seine Affäre mit Charlotte in ihren Augen dadurch noch weniger Sinn machte. Warum gab er sich jahrelang mit einer Frau ab, die mit dem Ex-Liebhaber seiner Mutter verheiratet war? Sie musste ihn doch ständig an die Vergangenheit erinnern. War er Charlotte hörig, oder war diese Beziehung nur pure Berechnung, um es Fitzroy heimzuzahlen? Wenn das Victors Motivation war, dann verstand sie es noch weniger. Die Affäre musste doch schon Ewigkeiten her sein, die Schuld von William Fitzroy längst verjährt. Vor allem, wenn man sich vor Augen hielt, dass er eine Schlange in seinem eigenen Haus beherbergte. Paige konnte sich keinen Reim darauf machen, außerdem tat ihr Victor unendlich leid. Sie hätte ihn jetzt so gern umarmt, doch sein harter Panzer hüllte ihn ein wie eine meterdicke Eisschicht. Es war kein Durchkommen möglich, selbst alle Sonnen des Universums hätten nicht ausgereicht, um diese Wand aus Ablehnung, Schmerz und Misstrauen zum Schmelzen zu bringen. Ihr Gesicht musste wohl ihre Gedanken widerspiegeln, denn er verzog ablehnend die Lippen.
„Du brauchst kein Mitleid mit mir zu haben“, meinte er spröde. „Mit meinem Vater übrigens auch nicht. Er war schwach, weil er einer Frau erlaubt hat, sein Leben zu diktieren, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten.“
„Liebe fragt nicht nach Gegenleistungen.“
Spöttisch hob er die Mundwinkel. „Und mit
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