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Jagdhaus in Der Eifel

Titel: Jagdhaus in Der Eifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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Beamter.«
    »Im formalen Sinne nach dem Gesetz ja, aber ich gehöre keiner Partei an.«
    »Das ist mir bekannt. Aber darauf kommt es jetzt nicht an. Der Herr Minister hat mit mir telefoniert. Er sieht das notwendige Vertrauensverhältnis zu Ihnen als so gestört an, daß er Sie ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzen wird. Bis dahin bleiben Sie auf Ihren eigenen Antrag beurlaubt.«
    Für Minsterialdirektor Henrik Aston brach eine Welt zusammen. Hilfesuchend glitt sein Blick vom Staatssekretär zum Sicherheitsreferenten. Er fand kein Zeichen des Verstehens oder der Hoffnung, nur verschlossene und kühle Gesichter von zwei Beamten, die eine Weisung auszuführen hatten. Im Spiel um Einfluß und Macht mußte ein anderer geopfert werden, der in der Öffentlichkeit bald alle Vermutungen und Verdächtigungen auf sich ziehen würde. Damit blieb die eigene Stellung unangreifbar, und die Partei konnte sich voll hinter ihren bewährten Minister stellen, der ohne zu zögern energisch das Gesetz des Handelns an sich gezogen hatte. Aus solchem Holz mußte man sein, »wie mit dem Beil geschnitzt«, um die Positionskämpfe im politischen Feld zu bestehen.
    Henrik Aston sah überdeutlich, daß ihm kein Argument helfen konnte. Ihm war auch klar: Nicht nur die Revolution, auch die Macht frißt ihre Kinder! Heute war er das Opfer, morgen ein anderer. Diese Erkenntnis gab ihm seinen Stolz zurück. Wie hatte er nur einen Augenblick vergessen können, daß er Teil des politischen Kraftfeldes in der Bundeshauptstadt war. Sein Abschied war seiner Erziehung würdig. »Herr Staatssekretär«, sagte er ganz ruhig, »ich nehme die Entscheidung zur Kenntnis«, deutete einen Gruß an und ging aufrecht hinaus.

 
    Kapitel 9
     
     
     
    Die Fahndung lief jetzt schon die dritte Woche. Die Vernehmungen des 19. K im Ministerium ließen das Bild von Brigitte Fournier mit jedem Tag diffuser erscheinen. Eine Mauer des Schweigens baute sich auf. Niemand wollte mehr als unvermeidbar mit einer Spionin zu tun gehabt haben. Nur flüchtige Kenntnis, vage Aussagen, Andeutungen, nicht belastend, aber auch nicht entlastend. Der Fall war nun Sache der Polizei, nicht der Mitarbeiter. Auch der engere Kreis der höheren Beamten wußte immer weniger beizutragen. Eltern? Mit denen hatte sie keinen Kontakt – oder waren sie nicht sogar schon tot? Richtige Freunde habe sie eigentlich nie gehabt. Verhältnisse zu Männern? Nun gut, bei Betriebsfeiern war man sich schon mal näher gekommen. Wen sie auf Reisen getroffen habe, wisse man auch nicht. In der Hütte? Na ja, das hat sich so ergeben, da waren wohl mehrere – und nur gelegentlich. Wer mal mit wem geschlafen hatte? Warum sollte das noch interessant sein. Für die Polizei doch gewiß nicht! Ihre Pflichten habe sie allerdings ordentlich erfüllt. Wenn es anders gewesen wäre, hätte man sich als Vorgesetzter selbstverständlich sehr schnell von einer unfähigen Sekretärin getrennt.
    Entweder hatte dieser Kreis etwas zu verbergen, oder der innere Denkvorgang der Ent-Identifizierung funktionierte so gut, daß die Fournier bald nicht mehr vorstellbar sein würde.
    Auch in der Presse begannen die Spekulationen über das Verschwinden der Sekretärin eines hochrangigen Ministerialbeamten abzuklingen. Die Geschichte von dem fehlenden Schlüssel zum Panzerschrank war durchgesickert und hatte für ein paar Tage Schlagzeilen gemacht. Dann war noch die Meldung über alle Agenturen gelaufen, daß der Leiter der Abteilung für »Europäische Integration« in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden war.
    Die überregionalen Wochenzeitungen wie »Die Zeit« mit ihrer hohen Meinung von sich selbst und der »Spiegel« in seiner unverwechselbaren Mischung aus Personalisierung und Pointierung hatten das System der politischen Verantwortung für die Leitung eines Ministeriums ausgiebig kommentiert. Je nach politischer Grundhaltung hatten die Blätter dem Minister für sein vielleicht vorschnelles oder aber zupackendes Verhalten Zensuren erteilt. Der »Stern« versuchte die Story in Tagebuchform so aufzuarbeiten, daß sich auch »Lisette Müller« als Teilnehmerin am Geschehen fühlen konnte.
    Damit hatte die vierte Gewalt zwar wenig Fakten, aber genügend Meinungen veröffentlicht, und der Vorfall konnte als verarbeitet gelten. In der Bundeshauptstadt waren, wie man im Fernsehen erfahren konnte, wichtigere Fragen zu analysieren als das Schicksal einer Sekretärin, von der man mit aller Entrüstung

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