Jagdhunde (German Edition)
Wasser.
»Es dauert nur ein paar Minuten«, erklärte er, legte die Plastikdose in das Wasser und ließ sie darin treiben.
Wisting beugte sich über die Spüle. Durch den transparenten Deckel konnte er den ganzen Prozess beobachten. Mehrere runde Fingerabdrücke kamen zum Vorschein, so wie bei einem Foto, das in einem Dunkelraum in Entwicklerflüssigkeit gelegt wurde.
Wisting warf Haber einen Blick zu.
Der alte Kriminaltechniker lächelte zufrieden. »Geradezu magisch«, sagte er und nahm die Plastikdose aus dem Wasser. »Das Unsichtbare wird sichtbar.«
Er stellte die Dose auf den Tisch, entfernte den Deckel und zog den braunen Umschlag heraus.
Die hervorgezauberten Fingerabdrücke schimmerten in einem lila Farbton. Einige waren deutlicher erkennbar als andere und die meisten überlappten einander.
Haber legte den Umschlag auf das graue Packpapier und griff nach der Kamera.
»Die Abdrücke stammen von mehreren Personen«, sagte er und machte eine Aufnahme. »Es gibt sowohl Bogen- als auch Schleifenmuster.«
Wisting blickte ihm über die Schulter.
»Die Bogenmuster können von mir stammen«, fuhr Haber fort und schaute auf seine Finger. »Das sind die schwächsten Abdrücke, aber es gibt auch ein paar andere. Ist ja besser geworden, als ich erwartet hätte.«
Der pensionierte Kriminaltechniker schoss ein paar weitere Fotos und richtete sich schließlich auf.
»Allerdings ist das nur die halbe Arbeit«, sagte er. »Wir brauchen Vergleichsabdrücke, um sagen zu können, mit wem wir es hier zu tun haben.«
Wisting nahm die Dokumentenmappe vom Küchentisch und zog sein Notizbuch heraus. Zwischen die starren Einbände hatte er einen Papierbogen gelegt, wie eine Art Lesezeichen. Er öffnete das Notizbuch und legte es auf den Tisch.
Haber beugte sich vor und schaute auf den Brief, der vor ihm lag. Dann fasste er an seine Brille, trat einen Schritt zurück und sah Wisting an.
»Ist das dein Ernst?«, fragte er und blickte wieder auf den Brief.
Wisting nickte und schaute auf sein Suspendierungsschreiben hinunter.
»Er ist jetzt Polizeichef«, sagte Haber.
»Amtierender Polizeichef«, korrigierte Wisting und zeigte auf den Titel unter Audun Vettis Unterschrift.
73
Line erwachte davon, dass ihr kalt war. Sie startete den Wagen und schaltete die Heizung ein.
Die Uhr am Armaturenbrett zeigte, dass sie fast drei Stunden geschlafen hatte. Irgendwann in der Nacht hatte es aufgehört zu regnen und jetzt war der Wagen von Nebelschwaden umgeben.
Sie überprüfte ihr Handy und sah, dass Morten P vor etwas über zwei Stunden eine SMS geschickt hatte: »H ist nach Hause gefahren. Wir bleiben dran.«
Der Nebel war wie ein grauer Schleier. Im Schein der Straßenbeleuchtung schien die Straße zu dampfen. Das Navigationsgerät errechnete, dass Line um 06:47 Uhr Ystad erreichen würde.
Etwas zu früh, um an Maud Svedbergs Tür zu klingeln, aber so würde sie immerhin vorher frühstücken können.
Line fuhr weiter durch die Nacht und überlegte kurz, Morten P anzurufen, um sich nach dem Stand der Beschattungsaktion zu erkundigen. Doch wenn Haglund zu Bett gegangen war, dann schliefen die drei anderen wahrscheinlich abwechselnd, und Line wollte nicht riskieren, Morten P zu wecken. Stattdessen suchte sie sich im Radio einen schwedischen Musiksender aus, der ihr dabei helfen würde, wach zu bleiben. Ohnehin würde sie informiert werden, falls es neue Entwicklungen gäbe.
Immer wieder schaute Line auf die Ankunftszeit, die das Navigationsgerät ausgerechnet hatte. Irgendwo zwischen Göteborg und Malmö hielt sie an einer Tankstelle, um auf die Toilette zu gehen und eine Flasche Limonade zu kaufen. Um 06:34 passierte sie das Ortsschild, das ihr verriet, dass sie sich jetzt in Ystad befand.
Sie ignorierte die vom Navi vorgegebene Strecke, fuhr stattdessen weiter geradeaus, bis sie zu einem Jachthafen kam, und folgte der am Meer liegenden Straße. Ein Zeitungsbote hielt vor einem gelb gestrichenen Haus, dessen Eingangsbereich von Kletterrosen geschmückt war. Ansonsten war die Straße leer.
Am Bahnhof bog Line in eine Seitenstraße und fuhr in Richtung Stadtzentrum. Die Fenster einer Konditorei waren erhellt. Line hielt am Straßenrand. Das Türschild verriet, dass um sieben Uhr geöffnet würde. Line nutzte die Wartezeit, um durch die Straßen zu schlendern und sich einen Eindruck von dieser gemütlichen Stadt zu machen, in der es viele alte Häuser und hübsche kleine Plätze gab.
Als die Konditorei öffnete,
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