Jagdhunde (German Edition)
knurrende Hund die Fährte aufnahm.
»Was ist passiert?«, wollte der erste Polizist von Line wissen.
Line wiederholte, was sie bereits am Telefon gesagt hatte, und spürte gleichzeitig, wie ihr die Zeit davonlief. Weitere Streifenwagen tauchten am Tatort auf. Ein paar Beamte sperrten das Grundstück mit einem rot-weißen Plastikband ab. Auch neugierige Nachbarn hatten sich schon eingefunden und standen in kleinen Gruppen zusammen. Ein Mann mit einer Kamera drängte sich nach vorn. Erik Fjeld war zur Stelle.
»Wie sind Sie an diese Adresse gekommen?«, wollte der Polizist jetzt wissen.
Line berichtete von ihren Untersuchungen in der Falck- Station und trat währenddessen ein paar Schritte zur Seite, damit die Straßenbeleuchtung auf ihr regennasses Gesicht fallen konnte. Der sie befragende Polizist, die Absperrbänder und das Reihenhaus würden mit aufs Bild kommen. Sie sah, dass Erik Fjeld das Objektiv auswechselte, um sie ganz nah heranzubekommen, und fuhr sich schnell mit der Hand durchs Haar. Diese Fotos würden sie im Laufe ihrer Journalistenkarriere sicherlich noch verfolgen, doch ohne Bilder hatte sie gar nichts.
»Und bevor Sie hierherfuhren, ist Ihnen nicht vielleicht der Gedanke gekommen, uns anzurufen?«, fragte der Polizist.
Line überhörte den Sarkasmus in seiner Stimme. Sie hätte ähnlich reagieren und fragen können, ob niemand bei der Polizei auf die Idee gekommen sei, den Besitzer des Hundes ausfindig zu machen, ließ es aber sein. Sie hatte keine Zeit.
»Ich muss jetzt der Redaktion Bericht erstatten«, sagte sie ausweichend und wandte sich ab, um zu ihrem Wagen zu gehen.
Der Polizist stellte sich ihr in den Weg. »Wie sah er aus?«, fragte er.
»Das hab ich doch schon am Telefon gesagt«, entgegnete Line.
»Und jetzt erklären Sie’s bitte mir.«
Line seufzte. »Ich weiß es nicht«, sagte sie wahrheitsgemäß. »Er war quasi eingepackt.«
»Eingepackt?«
Sie nickte. »Alles war schwarz. Hose, Pullover, Schuhe, Handschuhe und Skimaske. Er hatte sich sogar die Öffnung zwischen Pullover und Handschuhen mit Klebeband zugeklebt. Und seine Hose war an den Socken befestigt.«
Als Line den Täter nun zum zweiten Mal beschrieb, wurde ihr klar, wie geplant das alles gewesen sein musste. Der Mord und der Einbruch. Sie hatte über Bankräuber gelesen, die sich auf dieselbe Weise ausrüsteten, um bei einem DNA-Vergleich nicht durch liegen gebliebene Haar- oder Hautreste überführt zu werden.
»Es tut mir leid, ich muss jetzt wirklich gehen«, sagte sie und entzog sich.
»Warten Sie!«, kommandierte der Polizist. »Unsere Techniker müssen Sie in Augenschein nehmen.«
»Wieso das?«
»Biologische Spuren«, erklärte er. »Er hat Sie überfallen. In der Praxis sind Sie so was wie ein Tatort.«
Line seufzte. Im Kopf hatte sie schon die Sätze formuliert, die sie für den Artikel verwenden würde, und wollte ihn nun schnell schreiben, bevor sie alles wieder vergaß.
»Ich glaube nicht, dass Sie irgendwas finden«, sagte sie. »Wie schon gesagt, er war eingepackt. Außerdem haben Sie da drinnen einen viel größeren Tatort.« Sie zeigte auf das Reihenhaus.
»Routine«, erwiderte der Polizist. »Sie müssen mitkommen.«
»Wohin?«
»In die Dienststelle. Da müssen Sie auch noch eine Aussage machen.«
»Aber ich habe bereits zwei Mal ausgesagt.«
»Das muss schriftlich festgehalten werden.«
Line schüttelte den Kopf. »Das muss bis nachher warten. Ich mache hier einen Job.«
»Das tun wir auch«, wiegelte der Polizist ab. »Wir versuchen, einen Mörder zu finden.«
»Dann lassen Sie mich zumindest meinen PC aus dem Wagen holen«, bat Line.
Der Polizist machte eine Kopfbewegung, die Lines Wunsch zu widersprechen schien, entschied sich aber anders, als er ihren Blick sah.
13
Die Gläser waren leer.
»Wollen wir gehen?«, fragte Wisting.
»Wenn du möchtest«, erwiderte Suzanne lächelnd.
Wisting trug die Gläser und die Flasche zum Tresen, nahm Suzannes Jacke und half ihr hinein, bevor er seine eigene anzog. Suzanne schloss das Café ab. Noch immer hing Regen in der Luft, und es war kälter geworden.
Ein Taxi kam an den Straßenrand gefahren, doch Wisting winkte ab und der Fahrer gab Gas. Der Heimweg zum Haus in der Herman Wildenveys gate nahm nicht mehr als zehn oder zwölf Minuten in Anspruch, und sowohl Wisting als auch Suzanne liefen gern ein Stückchen. Mochten die Stille in den Straßen.
Suzanne trug einen Regenschirm mit sich. Er war klein und Wisting musste sich dicht
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