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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Grube war so groß, dass der Erdhaufen neben dem Grab mehr als vier Meter hoch war. Die Witwen von Ote Keeley und Kyle Lensegrav - Calvin Mendes war ledig - hatten die Trauerfeier mit dem als unkonventionell bekannten Pfarrer B.J. Cobb von der ersten Gebirgskirche von Saddlestring organisiert.
    Joe Pickett stand im Anzug und mit Hut und Verband dezent am Hang und hörte Pfarrer Cobb, der sich auf der Motorhaube des Pick-ups aufgebaut hatte, bei der Totenrede zu. Die Witwen und ihre Kinder standen um das Auto herum. Hinter ihnen hatten sich die Trauergäste versammelt. Und unter einer blauen Plastikplane war irgendetwas Großes verborgen.
    Es war ein herrlicher Tag. Eine ganz leichte Brise ging durch die Blätter der Pyramidenpappeln, und die Sonne schien von einem kristallklaren Himmel. Im spätherbstlichen Gras glänzte der Tau, und nur in den Wipfeln hielten sich noch letzte Reste des Morgennebels.

    Pfarrer Cobb handelte die kurze Lebensgeschichte der Ausrüster ab. Die drei waren Jugendfreunde, hatten erst in Mississippi gejagt, waren dann zusammen zur Armee gegangen, hatten 1991 gegen den Irak gekämpft und waren schließlich in die wildreichen Berge und Prärien Wyomings gezogen. Während der Ansprache konnte Joe die Augen nicht von dem riesigen Loch vor dem Pick-up lassen und fragte sich ständig, was sich wohl unter der blauen Plane befinden mochte.
    Die Trauergemeinde bestand aus ein paar Mitgliedern der Gebirgskirche und einer ganzen Reihe von Saufkumpanen der Toten. Joe bemerkte, dass keine anderen Ausrüster gekommen waren, und genauer betrachtet war das auch nicht weiter überraschend. Keeley, Lensegrav und Mendes waren wegen ihrer radikalen Ansichten aus dem Verband der Ausrüster von Wyoming ausgeschlossen worden. Und wegen ihrer Neigung, offene Verstöße gegen die Jagdgesetze zu begehen.
    »Sie gehörten zu denen, die das Salz der Erde sind«, sagte Cobb feierlich. Der Pfarrer war ein rundlicher Junggeselle mit Bürstenschnitt, der für seine Sympathien für die »Survival«-Kämpfer bekannt war. Und für seine kleine, aber inbrünstige Gemeinde. »Sie liebten ihren Beruf. Bei ihnen kamen die Vorfahren wieder zum Vorschein, jene Männer, die sich aus der Natur ernährten und ihre Familien durch Jagdfertigkeit und Jagdgeschick versorgten. Sie waren Wiedergänger der ersten weißen Amerikaner, Menschen an der Zivilisationsgrenze, Naturmenschen und Sportler vom größten Kaliber. Und diese Jungs kannten ihre Kaliber genau. Sie aßen Wapiti, nicht Lamm. Hirsch, nicht Schwein. Wildente, nicht Huhn …«
    Zwei Kiefernsärge in Mahagonifurnier standen nebeneinander
auf der Ladefläche des Pick-ups, der dritte quer auf den beiden. Joe wusste nicht, wer in welchem Sarg lag. Ihr Gewicht ließ den allradgetriebenen Pick-up hinten durchhängen. Endlich kam Pfarrer Cobb mit seinen Bemerkungen über die Essgewohnheiten der Ausrüster zu einem Ende.
    Ote Keeleys Frau war nicht schwer auszumachen, weil sie die einzige Schwangere war. Sie war dünn, klein und hatte einen schweren Bauch. Joe schätzte, dass sie normalerweise kaum fünfzig Kilo wog. Ihr blondes Haar war kurz geschnitten, ihr Gesicht verhärmt und hart. Sie hatte eine unangezündete Zigarette im Mund und hielt ein kleines Mädchen fest an der Hand, das lieber zu dem großen Loch rüberwollte, statt andächtig bei seiner Mutter zu stehen. Das Kind hieß April, wie Joe später erfuhr, und ähnelte mit seinen fünf Jahren der Mutter sehr, hatte aber ein süßes, doch gequält wirkendes Gesicht.
    Vor der Trauerfeier hatte Joe sich Mrs Keeley vorgestellt und sein Beileid bekundet. Er habe auch Kinder, und seine Frau sei ebenfalls schwanger.
    Sie hatte ihn zornig angestarrt, und ihre Augen waren dabei ganz schmal geworden. »Sind Sie nicht das verdammte Arschloch, das meinem Otie die Ausrüsterlizenz wegnehmen wollte?« Und das noch mit einem bombigen Südstaatenakzent.
    Das kleine Mädchen zuckte bei ihrer Ausdrucksweise nicht einmal. Joe schon. Er sagte, er bedauere, sie wohl zu einem schlechten Zeitpunkt angesprochen zu haben, und verdrückte sich schnell zu der losen Gruppe von Trauergästen.
    Pfarrer Cobb beendete seine Rede damit, es gebe einige heilige Gegenstände, die die geliebten Verstorbenen
nach dem Willen ihrer Familien im Leben nach dem Tode nicht missen sollten. Auf dieses Stichwort hin zogen Mrs Keeley und Mrs Lensegrav die blaue Plane ab, und ein Haufen Dinge kam zum Vorschein.
    »Kyle Lensegrav wäre im Himmel aufgeschmissen …« - der

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