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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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Pfarrer machte eine Pause, bis Mrs Lensegrav sich mit einem Berg voller Sachen zu ihm umwandte - »… ohne seine Denver-Broncos-Jacke.«
    Mrs Lensegrav ging zum Pick-up und drapierte die Jacke über einen der beiden Särge auf der Ladefläche.
    »Wo Kyle sein wird, werden die Denver Broncos immer vor allem in Orange und Blau spielen. So wie in den 70ern, 80ern und bis in die 90er, bevor sie diese scheußlichen neuen Trikots bekamen«, donnerte der Pfarrer.
    Joe beobachtete fasziniert, wie Mrs Lensegrav Kyles liebste Jagdmütze, sein Fernglas, seine Werkzeugtasche, seine Knochensäge, seine wasserundurchlässigen Stiefel und sein Gewehrfutteral, das sonst am Sattel festgeschnallt war, auf dem Sarg arrangierte.
    Jetzt war Mrs Keeley dran.
    »Nicht jeder Mann besitzt die Fähigkeit, die Entschlossenheit und den Scharfsinn, einen Elch zu erlegen, der für immer unter den fünf größten Jagdtrophäen Nordamerikas rangieren wird, gemäß der Liste von Boone & Crockett«, rief der Pfarrer. »Aber Ote Keeley kann diesen Anspruch erheben, und diese gewaltige Pracht …«
    Mrs Keeley kämpfte mit dem Gewicht der riesigen Elchschaufeln. Gerüchten zufolge sollte Ote das Tier allerdings verbotenerweise im Yellowstone Park geschossen und herausgeschmuggelt haben. Joe spürte das Bedürfnis, Mrs Keeley zu helfen, ließ es aber, denn vielleicht würde sie versuchen, ihn damit auf die Hörner zu nehmen.
Irgendwie brachte sie die Kraft auf, das Geweih auf den oberen Sarg zu legen.
    »… diese gewaltige Pracht wird ewig über Otes himmlischem Ruhesessel prangen.«
    Es gab noch mehr Dinge für Ote, auch einen Fernseher, einen Videorekorder, gegerbte Felle und sein T-Shirt mit der Devise »Glück ist ein dampfender Scheißhaufen«. Calvin Mendes wurde bei der Feier wahrscheinlich übers Ohr gehauen, denn die Witwen stellten ihm nur seine gebundenen Pornohefte und eine Kiste Bier auf den Sarg.
    Dann ließ der Pfarrer den Pick-up an, legte den Vorwärtsgang ein und sprang aus dem Führerhaus. Mit allen anderen beobachtete Joe, wie der Ford erst ganz langsam auf das riesige Loch zufuhr und dann zügig hineinrollte. Mit einem kräftigen Bums kam der Wagen zum Stehen, und keiner mochte in die Grube sehen, ob die Särge sich losgerissen hatten und die Deckel aufgesprungen waren.
    Als Joe den Hang hinab über den Friedhof ging, fragte er sich, wie lange der Motor des Pick-ups weiterlaufen und ob die Totengräber ihn wohl ausmachen würden, bevor sie das Grab zubaggerten.

12
    Ein gutes Gefühl, aus der Stadt und vom Friedhof wegzukommen und an die Arbeit zu gehen. Joe hatte am Morgen in der Küche ein paar Brote eingepackt und eine Thermoskanne Kaffee mitgenommen. Maxine hatte, als er aus dem Haus gekommen war, schon auf der Ladefläche des Pick-ups auf ihn gewartet und mit dem Schwanz
gegen den Werkzeugkasten getrommelt. Wie ein Metronom hatte sich das angehört.
    Joe fuhr westlich von Saddlestring in einem großen, fast baumlosen Gebiet - den Breaklands - Streife, das dem US-Landverwaltungsamt gehörte und sich vom Fluss bis zu den Ausläufern der Bighorn Mountains erstreckte. Es war eine trügerische, verwirrende Gegend, die er schon immer mochte. Aus der Entfernung erschien sie einfach als ein großer, langsamer Anstieg aus der Talsohle zu den Bergen. Tatsächlich aber war es eine leicht gewellte, manchmal scharf eingeschnittene, dann wieder sanft schwingende, hoch gelegene Region voller Hügelzüge und tief ausgewaschener Bachbetten. Und voller Salbeigebüsch. Die Wellen der Landschaft wirkten da und dort wie kunstvoll in Falten gelegter Satin, und an diesen verschatteten Orten vermehrten sich Pronghorns und große Maultierhirsche prächtig. Alte, namenlose Feldwege durchzogen die Gegend wie ein Spinnennetz. Hochwildrudel und Pronghornherden wussten sich diese Landschaft seit langem zunutze zu machen, lebten inmitten der Hänge und Einschnitte und konnten sich bei Verfolgung buchstäblich in Luft auflösen. Vor allem Pronghorns nutzten die Eintönigkeit der Gegend als Schutz und machten die Hoffnungen der Jäger oft zunichte, indem sie ihr Profil auf den Hügelkuppen zeigten - dort waren sie auf weithin freiem Feld, und ihre Verfolger konnten sich nicht anpirschen. Die wenigen Bäume in diesem Landstrich waren stille Hinweise darauf, dass in ihrer Nähe einmal Farmen und Hütten gestanden hatten, die schon vor hundert Jahren aufgegeben worden waren.
    Heute begann die Pronghornsaison, und erfahrungsgemäß schlug das Jagdfieber nur am

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