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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
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vor Wut raste.
    Wacey stand im Vorgarten von Joes Haus und sah zu dem einsamen roten Licht auf dem Wolf Mountain hoch. Dort stand der Funkmast. Wacey hatte angeboten, bis zum Morgen am Ort des Verbrechens zu bleiben. Dann würde Barnum Hilfssheriff McLanahan oder jemand anderen als Ablöse schicken. Im Schein der Verandalampe sah er auf die Armbanduhr und dann zum Hang hinterm Haus, wo Sheridan sich mit Sicherheit versteckt hielt.
    Als er im Frühjahr auf dem Wolf Mountain gewesen war, hatten ihm die Ingenieure die Schaltkreise im Container gezeigt. Und die Telefondrähte, die zu Tausenden in die Fernleitung mündeten. Er hatte sich gemerkt, wo sie aus dem Container kam. Damals hatte er gleich gedacht, man könne mit einem wuchtigen Gewehrschuss in ihren Ausgangspunkt das Telefonnetz des ganzen Tales lahm legen. Vielleicht würde die Reparatur ein paar Tage dauern, aber Wacey machte sich nur um heute Nacht Gedanken.
    Ein Gewehr mit großer Durchschlagskraft hatte er dabei. Und Sheridan würde es doch nicht einmal merken, wenn er wegführe.

33
    Es war elf Uhr, doch Joe kam es viel später vor. Er stand in der Eingangshalle des Krankenhauses und warf Münzen ins Telefon, um Missy Vankueren anzurufen. Wieder und wieder hatte er sich im Stillen vorgebetet, was er sagen würde - wie er Sheridan und Lucy erzählen würde, was geschehen war, ohne ihnen furchtbare Angst einzujagen. Er musste jetzt ganz ruhig sein. Und väterlich.
    Es klingelte ein paar Mal, bis Joe begriff, dass er geistesabwesend in der Bighorn Road angerufen hatte. Er schlug die Telefonnummer von Eagle Mountain in seinem Notizbuch nach und wählte. Dabei fragte er sich, wie Barnum schon vom Ort des Verbrechens hatte verschwinden können. Und das, ohne eine Wache zurückzulassen. Vielleicht war Barnum wirklich unfähig. Vielleicht hatte Wacey Recht. Vielleicht wäre er als Sheriff eine willkommene Bereicherung.
    Joes Schwiegermutter war beim zweiten Klingeln am Apparat. Sie klang kühl und verärgert.
    »Ja?«
    »Missy - ich bin’s, Joe.«
    Kurze Pause. Dann: »Ach, hallo, Joe! Hast du mich aber überrascht! Ich hab gedacht, das wäre Marybeth.« Diese Reaktion traf ihn unvorbereitet.
    Er war verwirrt. Dann begriff er, dass sich noch niemand bei ihr gemeldet hatte. Aber Wacey wollte das doch übernehmen …
    »Ich hab zur Abendbrotszeit immer wieder in der Bighorn Road angerufen«, sprudelte Missy los. »Und jedes Mal besetzt. Jedes Mal! Und dann ist plötzlich niemand
da. Marybeth hat gesagt, sie käme in einer Stunde zurück. Das war vor vier Stunden, Joe. Mein Essen ist ruiniert.«
    »Missy …«
    »Ich hab seit Ewigkeiten nicht mehr gekocht, ich meine - richtig gekocht. Den ganzen Nachmittag hab ich an meiner berühmten Lasagne gearbeitet. Die mochte Marybeth doch immer so gern. Sie hat gesagt, sie freut sich schon sehr darauf. Allmählich denke ich, bei ihr zu wohnen ist doch keine so gute Idee. Weder für sie noch für mich, Joe …«
    Es klang sehr danach, als hätte Missy schon ganz ordentlich am Wein genippt, den sie bestimmt zum Essen vorgesehen hatte. Joe war verärgert.
    »Missy, verflixt, hör bitte mal auf!«
    Stille.
    »Missy, ich ruf vom Krankenhaus in Billings an.«
    Stille.
    »Marybeth ist niedergeschossen worden. Im Haus in der Bighorn Road. Man weiß noch nicht, wer’s war. Die Ärzte sagen, dass sie durchkommen wird. Aber das Baby …« Noch mehr Stille. Joe begriff, dass die Leitung tot war. Ob sie überhaupt etwas von seinen Worten gehört hatte? Sie konnte doch eigentlich nicht eingehängt haben?
    Er rief nochmal an. Kein Zeichen in der Leitung. Und nochmal. Eine Stimme vom Band sagte, die Nummer sei zurzeit nicht in Betrieb. Er versuchte es im Büro von Sheriff Barnum - auch diese Leitung war tot.
     
    Joe konnte nicht sitzen. Er konnte nicht still stehen. Er versuchte mehrmals, eine von den vielen Illustrierten im
Wartezimmer zu lesen, musste aber feststellen, dass er sich nicht auf die Worte konzentrieren konnte und nicht mal wusste, zu welchem Thema er gerade etwas gelesen hatte. Er ging zum Schwesternzimmer, um zu fragen, ob er Marybeth schon sehen könne.
    Die Schwester war höflich, aber verärgert. Sie wies auf die Uhr auf ihrem Schreibtisch - das habe er sie doch vor kaum zehn Minuten schon gefragt. Joe konnte sich nicht erinnern, dass die Zeit je so langsam vergangen war. Es würde noch immer mindestens eine halbe Stunde dauern, bis Marybeth aus dem OP käme.
    Er versuchte noch dreimal, Missy und Barnum zu erreichen.

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