Jagdsaison. Roman.
er deshalb allen Grund anzunehmen, daß er tot sei.
Aber Don Totò war quicklebendig und schickte sich an, seinen Fuß erneut nach Vigàta zu setzen. Ihm eilte die Kunde voraus, er sei so reich, daß der Dampfer »Franceschiello« auf Grund laufen würde, wenn er sein ganzes Geld laden müsse. Man erzählte sich auch, daß die amerikanische Gattin Harriet heiße und vom Aussehen und Wesen her eben ein echter Ehedrachen sei. Mit Don Totò seien ein Sekretär namens Petru kalabresischer Herkunft, Freund Don Totòs seit den Zeiten des Kriegs, den sie zusammen mit den Briganten gekämpft hatten, und eine ältere Frau namens Nettie von Bord gegangen; letztere sei zum Fürchten schwarz, eine Art Köchin und Dienerin.
So kam der von allen sehnlichst erwartete Tag, und vier Karossen hielten vor dem weit geöffneten Tor des Palazzos. Ganz Vigàta stand an den Fenstern oder auf der Piazza und glotzte, es schien das Fest des Stadtpatrons zu sein.
Aus der ersten Kutsche stiegen Don Totò, hochgewachsen, in aufrechter Haltung, die Brille auf der Nase, das Gesicht voller Falten und Narben, einer Landkarte nicht unähnlich; nach ihm kam Frau Harriet, eine lange Latte ohne Vorbau oder Hüften, und mit gelblichem Haar. Aus dem zweiten Wagen kletterte Petru, auch er um die Fünfzig, von kleiner, magerer Statur. Sein Kopf ging wieselflink nach rechts und nach links. Aus dem dritten Gefährt quetschte sich die fette alte Negerin mit zwei Augen, so groß wie Schiffsluken. Die Kinder begannen bei ihrem Anblick zu heulen. Der letzte Wagen war bis oben hin beladen mit Gepäckstücken, die Mimì und Peppinella auf den Schultern ins Haus schleppten. Danach schloß sich das Tor, und das Spektakel war einstweilen zu Ende.
Onkel Totò ersparte der Nichte die Schilderung der Unglücksfälle, die über die Familie hereingebrochen waren. Keiner konnte sich erklären, wie, aber er wußte bereits über alles Bescheid, selbst von dem Kleinen, den sein Bruder von Trisìna hatte, wußte er.
»Morgen besuchen wir sie auf dem Friedhof«, sagte Ntontò.
»Warum das? Die Toten sind doch tot«, erwiderte Totò und sah sie verblüfft an.
»Existiert Curcunella noch?« fragte er nach einer Weile.
Und Ntontò sprang in die Höhe, verließ eilig den Raum und kehrte mit der Puppe zurück, die ihr der Onkel geschenkt hatte, als sie noch keine drei Jahre alt war. Curcunella war der Name, den sie beide ihr gegeben hatten, und ein Geheimnis zwischen ihnen.
»Hier ist sie.«
Don Totò nahm die Puppe zwischen die Hände, und Ntontò, die sich bis jetzt beherrscht hatte, liefen die Tränen hinunter.
»Komm her«, sagte der Onkel.
Er hieß sie, auf dem Sofa an seiner Seite Platz zu nehmen, legte einen Arm um ihre Schultern, und Ntontò schmiegte vertrauensvoll ihren Kopf an seine Brust.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen, und Peppinella stand bebend und kreischend auf der Schwelle: »Ich stell mich nicht mit diesem schwarzen Ding da zusammen in die Küche!«
Ntontò fand umgehend eine Lösung: »Machen wir es so. Du bereitest in der anderen Küche für dich und Mimì etwas zu essen, und Nettie kocht eben für uns.«
»Und für heute nacht?«
»Was heißt das, für heute nacht?«
»Das heißt, daß das schwarze Ding sein Zeugs in das Zimmer neben unseres gebracht hat.«
»Aber wovor hast du eigentlich Angst? Schläfst du nicht mit Mimì im selben Bett?«
»Auch Mimì ist das schwarze Ding unheimlich.«
Nettie, das schwarze Ding, mußte ihr Gepäck in den ersten Stock schaffen, um im Herrschaftsflügel zu schlafen.
Nach dem Mittagessen meldete sich Baron Uccello an. Ergriffen fielen sie einander in die Arme und schlossen sich umgehend in das Zimmer ein, wo der Schreibtisch des armen Don Filippo stand. Don Totò offerierte dem Baron eine Zigarre, ein Riesending wie ein Schornstein.
»Aber warum haben Sie zugelassen, daß man Sie für tot hält?«
»Das ist nicht meine Schuld. Mein Bruder hat das glauben wollen.«
»Hm, aber Sie sind ja nicht gerade für ein paar Stunden verschwunden, zwei Jahrzehnte waren es, in denen Sie nichts von sich haben hören lassen.«
»In den ersten Jahren war es mir nicht möglich, Nachrichten nach draußen zu schicken. Als ich mit Petru in Amerika eintraf, herrschte dort Krieg zwischen den Stämmen im Norden und denen im Süden. Ich war auf der Seite der Leute vom Süden und nahm an der Schlacht von Chattanooga teil, und unser Kommandant, General Lee, machte mich zum Oberst. Dann habe ich Harriet
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