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Jagdszenenen aus Niederbayern

Jagdszenenen aus Niederbayern

Titel: Jagdszenenen aus Niederbayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Sperr
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behandeln ihn wie sie wollen. Und er muß sich das gefallen lassen. Meistens konnte er es vertuschen, aber nicht immer. Manchen macht es Spaß, Andeutungen zu machen. Anfangs wurde nur gelacht. Auf seine Kosten. Wenn das nichts mehr hergab, wurde es für ihn gefährlich. Zweimal wurde es schon öffentlich, und er hatte größte Mühe, sich herauszureden. Und dann mußte er ins Gefängnis. Es war ein Glück für ihn, daß es den Hitler nicht mehr gab.
    Homosexuelle wurden im Dritten Reich verfolgt und zu harten Gefängnisstrafen verurteilt nach § 175, der bis zum Jahr 1970 auch in der Bundesrepublik Gültigkeit hatte. Im Wiederholungsfall wurde für Homosexuelle Sicherheitsverwahrung angeordnet, was in den meisten Fällen hieß: Einlieferung in ein Konzentrationslager.
    Der Knecht vom Gruber in Wendelskirchen hatte nichts dagegen und hats rumerzählt, und eines Tages haben ihn die anderen Burschen zusammengeschlagen. Und angezeigt.
    Mutter halt deinen Jungen von dem fern, der Kerl ist warm.
    Solche und ähnliche Sprüche machen immer den Anfang.
    Er haßt die Männer seit er im Gefängnis war. Meistens macht ers allein und ist froh, wenns vorbei ist.
    Er will mit den Leuten leben. Er kann nicht immer Versteck spielen. In den kleinen Dörfern wo jeder jeden kennt.
    In Reinöd könnt er sich wohlfühlen. Er hat sich im Gefängnis vorgenommen, es nicht wieder zu tun. Er wird die Tonka heiraten und dann wird alles in Ordnung kommen.
    Er freut sich auf Reinöd. Jetzt wo er so leben wird wie alle andern auch.
    Er wird die Tonka heiraten und einen eigenen Salon aufmachen auf dem Lande. Vielleicht sogar in Reinöd.
    Er freut sich darauf, seine Mutter wiederzusehen. Jetzt wird sie nichts mehr dagegen haben, daß er im selben Dorf lebt wie sie.
    Die Panzerkolonne ist vorbei, und der Bus kann sich anschließen.
    Er fährt langsam in der großen Staubwolke, die die Panzer machen, weiter nach Reinöd. Früher dachte Abram oft daran, wegzufahren. Alles hinter sich zu lassen.
    Der Bus fährt durch einen Forst. Abram schaut zum Fenster hinaus und stellt sich vor, daß dahinter große Seen, fremde Dörfer und Städte liegen. Menschen leben, die andere Sprachen sprechen, die anders leben. Andere Länder.
    Wenn alles gut geht, dann wird er auch einmal größere Reisen machen. Ins Ausland. Wo die andern im Krieg waren.
    Und er stellt sich vor, daß die Tonka mitfährt. Wenn der Salon gut geht. Und Geld abwirft. Sie haben schon darüber gesprochen.
    Der Bus fährt aus dem Wald heraus und Abram sieht, wie sich die Panzerkolonne durch Reinöd schiebt, das in der Mulde liegt.
    Er legt seine Aktentasche zurecht und richtet seine Krawatte, die er der Hitze wegen etwas aufgemacht hat.
    Er steigt als einziger auf dem Dorfplatz aus. Die Kinder stehen am Straßenrand, denn die amerikanischen Soldaten werfen Kaugummi und Süßigkeiten aus den Panzern.
    Die Kinder sind aufgeregt, weil zwei Neger dabei sind. Sowas haben sie noch nie gesehen. Auch ein paar Erwachsene schauen zu. Sie können die Neger leichter verdauen. Die Welt ist seit dem Krieg größer geworden.
    Abram erweckt bei den Kindern kein Interesse. Er schaut durch das offene Fenster in die Gastwirtschaft hinein und sieht, wie die Arbeitslosen Kartenspielen. Das harte Klopfen eines Dengelhammers ist zu hören. Es ist heiß.
    Abram geht zum Bürgermeisterhof, um zu fragen, wo die Barbara arbeitet. Er müsse ihr was ausrichten.
    Der Knocherl, der gerade die Sense dengelt, erwägt, ob alles wahr ist, was man in den letzten Tagen über Abram redet.
    Die Leute reden ja immer mehr darüber, seit bekannt ist, daß die Barbara Abrams Mutter ist und seit man weiß, daß er im Gefängnis war. Er schaut dem Abram zu, wie er geht. Sein Gang. Dann sagt er ihm, auf welchem Feld die Barbara ist. Die Zenta, die Abram nur beobachtet hat und darüber das Grüßen vergessen hat, will es dem Abram angesehen haben, was mit ihm ist. Sie flüstert auf Knocherl ein.
    Abram bemerkt das Getuschel, aber er fühlt sich nicht betroffen. Er hat kein schlechtes Gewissen mehr. Er bedankt sich und geht weg. Als er weg ist, will die Zenta vom Knocherl wissen, was die Männer in den Pissoirs miteinander machen.
    Sie kann sich das gar nicht vorstellen. Der Knocherl druckst herum. Er kann ihr keine Auskunft geben.
    Er wisse es selber nicht genau.
    Niemand weiß, was der Abram eigentlich gemacht hat.
    Barbara sammelt auf dem Feld Kartoffeln, die die Maschine nicht aufgenommen hat. Der Bürgermeister läßt nichts verkommen.

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