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Jagdzeit

Jagdzeit

Titel: Jagdzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Osborn
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Fenster.
    Langsam rollte er sich von seinem Beobachtungsposten weg. Das Wiedereinsetzen seines Blutkreislaufs schmerzte höllisch. Er setzte sich auf, rieb Fußgelenke und Schenkel, um die Zirkulation zu unterstützen. Dann tastete er in seinem Rucksack nach seiner Feldration, Zwieback, Trockenfleisch, Gemüsewürfel und seiner Feldflasche. Als seine Hand sie berührte, hielt er inne. Nein, es wäre besser, nicht hier zu essen. Nur an einer Stelle, wo er ganz sicher jede mögliche Spur beseitigen konnte. Sorgfältig glättete er den Boden, befreite ihn von Fußabdrücken, schob mit geübter Hand in der tintenschwarzen Finsternis Blätter, trockenes Gras und Schiefer zurecht, die er vorher gestreift oder beiseite geräumt hatte. Er befreite sein Gewehr aus der Stellung und klappte die Auflage ein. Dann montierte er das Zielfernrohr ab, wickelte es sorgfältig in seine Nylontasche und steckte es in seinen Rucksack. Mindestens in den nächsten zwölf Stunden würde er es nicht brauchen, vielleicht auch länger nicht. Sein Fernglas folgte dem Zielfernrohr in den Rucksack. Das Gewehr in der Hand, stand er auf in der Kälte und machte sich lautlos auf den Weg, den Rücken des Steilufers hinunter in Richtung der sumpfigen Wälder am Nordufer der Insel.
    Er bewegte sich sehr langsam und erinnerte sich an Wegmale, die er sich am Vortag eingeprägt hatte: ein Felsblock mit bemooster Oberfläche, die haarigen, ausgetrockneten Wurzeln eines Baumes, den ein Sommergewitter herausgerissen hatte, ein glattrindiger junger Baum, ein niedriger Busch, von würgenden, scharfdornigen Stechwinden durchzogen.
    Nun verließ er die vergleichsweise kahle Rückseite des Steilufers in Richtung Wald. Er wartete, horchte. Kein Geräusch außer dem Zirpen einer Grille. Hundert Yards dichten Waldes bildeten zusammen mit der alten Sägemühle, der teilweise gerodeten Lichtung und einem weiteren Streifen Dickichts eine kompakte Mauer zwischen ihm und der Hütte.
    Er holte eine kleine Stablampe aus einer Innentasche seiner Jagdjacke und knipste sie an, den dünnen hellen Strahl auf den Boden gerichtet, um sicher zu gehen, dass keiner der höheren Äste Licht reflektierte. Diesen Morgen hatte er einen Pfad vorbereitet. Hier war ein Ast herabgebogen, von einem zweiten gehalten; ein paar Schritt weiter waren ein oder zwei Steine strategisch günstig positioniert. Der Pfad wirkte so unauffällig und natürlich, dass nur ein im Dschungelkrieg geschulter Pfadfinder ihn hätte entdecken können. Er folgte dem Pfad, machte Zweige los, legte Steine zurück an ihren Platz. Nach fünf Minuten spiegelte sich der dünne Lichtstrahl im Wasser. Er hatte das Nordufer erreicht. Sofort machte er das Licht aus und tastete vorsichtig das Gebüsch ab. Seine Finger berührten etwas Hartes, Metallisches und zugleich Hohles. Es war der Bug seines Kanus. Er machte zwei gleich lange Schritte vorwärts zum Kiel, hockte sich nieder und suchte weiter. Seine tastende Hand griff in einen niedrigen Tunnel im Gebüsch. Er nahm seinen Rucksack ab, schob ihn vor sich durch den Tunnel und folgte dann sehr vorsichtig selbst, das Gewehr knapp über dem harten Boden. Das brauchte Zeit und Geduld, aber fünf Minuten später wurde er dafür belohnt, indem er sich unter seinem getarnten Kanu lang ausstrecken und seinen Kopf auf den Rucksack betten konnte. Er hatte die Essensrationen und die Feldflasche herausgenommen und genoss seine erste Mahlzeit seit Morgengrauen.
    Das war gute Arbeit gewesen, dachte er. Das Kanu würde verhindern, dass er vom Nachtfrost durchnässt wurde und in seinen Kleidern einfror. Es verbarg auch jegliches kurzfristig entzündete Licht. Er wickelte das Papier von seinen Essenrationen zusammen, steckte es in den Rucksack zurück und zog eine kleine Blechdose heraus, die fünf Zigaretten und ein Gasfeuerzeug enthielt. Das Feuerzeug machte ein kratzendes Geräusch und flammte nahe bei seinen Augen hell auf. Er nahm das filterlose Ende einer Zigarette in den Mund. Er hatte filterlose Zigaretten gekauft, weil Filter nicht schnell verrotteten und später womöglich von jemandem aufgelesen werden konnten, der das Gebiet sorgfältig nach Beweismitteln durchkämmte. Gewöhnliches Zigarettenpapier und ungerauchter Tabak hingegen zerfielen und wurden beim ersten Wintersturm in alle vier Himmelsrichtungen zerstreut oder vom Schnee in wenigen Tagen vernichtet.
    Feuerzeug und Zigarettendose kamen zurück in den Rucksack. Schweigend rauchte er, auf dem Rücken liegend, und

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