Jagdzeit
wie er sich den Weg durchs Dickicht bahnte. Ken zündete zwei Zigaretten an und gab Nancy eine, feucht von seinen Lippen. Es erschien ihr ganz normal, Lässigkeit unter Freunden.
Bevor sie die Zigarette halb aufgeraucht hatte, war Greg wieder zurück, mit einem schweren Bündel blutiger Felle über der Schulter. Sie luden die Felle ins Boot und fuhren los, gerade als die Sonne hinter ein paar Kiefern unterging. Sie glitzerte noch einen Moment, die Strahlen zerrissen, dann war sie untergegangen.
Nancy sah, wie die Hütte näher und näher glitt. Dabei verschwand mehr und mehr das Gefühl beschützter Einsamkeit. Vorher war sie allein gewesen mit Ken und dem Wald und dem Jagen, jetzt gab es Greg, und bald auch Martin und Art und wieder das alte Entsetzen.
Art begrüßte sie von der Veranda der Jagdhütte aus. „Was für ein Geballer. Wie war’s bei euch?“ Er grinste von einem Ohr zum anderen, seine Gesichtsfarbe kräftig vom Aufenthalt an der frischen Luft.
„Großartig“, sagte Ken.
„Ich hab’ eine Wildkatze. Hier!“ Art hielt sie hoch, ein gelbliches, schlaff herunterhängendes Bündel mit einem Klumpen gestockten Bluts um das halb weggeschossene Gesicht.
Außerdem hatte er einen Habicht angeschleppt, sechs Biber, ein paar kleine Vögel. „Keine Ahnung, was für welche.“ Zwei Hirsche, ein paar Eichhörnchen und ein Krähenpaar, drei Waschbären, und — das Beste — einen Kojoten. „Hab’ den Bastard erwischt, als er sich von einem der Hirsche wegschleichen wollte, die ich vorher erwischt hatte. Dem hab’ ich’s gegeben.“
Dann verschwand sein Grinsen, und er sagte: „Und, oh, ach ja. Wartet, bis ihr von Junior hört.“ Er meinte Martin und führte sie alle in die Hütte.
Irgendwann im Laufe des Tages hatte Martin einen Stuhl auf den Küchentisch gestellt und eine Falltür in der Decke aufgestoßen, die zu den Wassertanks führte. In dem Schutt dort oben hatte er ein zerbrochenes Metallsägeblatt gefunden, das vor Jahren dort liegen geblieben war, als sie die Wasserleitung installiert hatten. Er war wieder heruntergeklettert und hatte angefangen, die Kette zu bearbeiten, wobei er das Sägeblatt noch mal zerbrach, aber er hatte weitergemacht, obwohl er sich dabei die Hände blutig schnitt.
Und fast hätte er sie durchgeschnitten gehabt. Art war gerade noch rechtzeitig zurückgekommen. „Sie muss geschweißt werden“, sagte er. „Ich konnte es nicht tun, während ich ihn gleichzeitig mit dem Gewehr in Schach halten musste.“
Sie standen in der Küche herum, während Martin mit eingefallenem Körper dasaß, die endgültige Niederlage in sein Gesicht eingebrannt. Stumm blickte er Nancy an, und sie las Verzweiflung in seinen Augen.
„Ich habe ihn noch nicht bestraft“, sagte Art.
„Vergiss es“, sagte Ken. „Er hat genug gehabt, schon allein durch die Tatsache, dass du ihn erwischt hast. Nicht wahr, Marty?“ Er lachte und guckte Martins Hände an. „Er muss verbunden werden, sonst blutet er uns hier alles voll. Nancy, der Erste-Hilfe-Kasten ist im Badezimmer.“
Sie ging los und holte ihn. Während sie Martins Hände bandagierte, brachte Greg ein tragbares Schweißgerät. Ken machte eine Flasche Bourbon auf, und als Greg das Kettenglied geschweißt hatte, hatten sie sie fast niedergemacht. Ken saß neben Nancy am Küchentisch, den Arm locker um ihre Schultern gelegt. Sie konnte Martin nicht mehr anschauen. Sie spürte, dass dieses vage Gefühl von Geborgenheit, das Ken ihr gab, endgültig verschwinden würde, wenn sie es täte, und sie könnte sich Ken nicht einmal ein wenig zugehörig fühlen, und die letzte Spur von Sicherheit durch diesen Jagdtag würde ihr entgleiten. Sie wäre wieder ihr altes Ich, ein Teil von Martin und gekidnappt.
Dann machte Greg Martin von der Kette los und schickte ihn Brennholz schleppen, und Ken, entspannt und milde, beschloss, Nancy eine Kochstunde zu geben, während Art am Feuer saß und las. Kens Angebot ließ neue Hoffnung in ihr aufkeimen, und sie schaffte es zu lächeln.
„Es ist nichts Besonderes. Nur eine Steaksoße, die ich in Frankreich gelernt habe.“ Er untersuchte fünf große gefrorene Steaks, die er am Morgen aus der Trockeneis-Kühlbox genommen hatte. „Okay. Perfekt.“ Er goss sich einen Drink ein und einen zweiten für Nancy und fuhr fort: „Ich war in Cannes und übernachtete auf dem Weg nach Paris in einem Dorf namens Vitteaux, nördlich von Dijon. Dort gibt es einen kleinen Gasthof. Der Küchenchef hat mir das Rezept
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