Jagdzeit
dass Art sie wahrscheinlich nicht gewollt hatte, und dass Ken und Greg gelost hatten, wer sie nehmen sollte.
Gregs Jagdmuster unterschied sich total von dem der beiden anderen. Er war ziellos umhergewandert. Offensichtlich hatte er den Wald im Zickzack durchquert, mit keinem anderen Gedanken, als dorthin zu gehen, wohin ihn die Laune gerade trieb, oder vielleicht Wild zu verfolgen, das vor ihm um sein Leben lief. Nun, das war eben Gregs Charakter. Dennoch war er schnell vorangekommen. Einmal schienen seine Schüsse aus mindestens drei Meilen Entfernung zu kommen, und dort war eine sehr unwegsame Gegend. Aber Greg war schließlich ein brutaler, zäher und kräftiger Mann, der ausgezeichnet auf seine Kondition achtete.
Von seinem Ausguck auf dem felsigen Steilufer oberhalb der alten Sägemühle hatte er später beobachtet, wie Greg, Ken und die Frau bei Sonnenuntergang zurückkehrten; durch sein Fern glas mit zwölffacher Vergrößerung hatte er sie ganz nahe gesehen, einmal auch durch das Leupold-Zielfernrohr seiner Holland & Holland-Doppelflinte. Er hatte sie unbekannt und unerkannt beobachtet, genauso wie er dem männlichen Gefangenen durch das Küchenfenster der Jagdhütte zugeschaut hatte, als dieser auf den Dachboden geklettert und wieder heruntergekommen war, um sich den Weg in die Freiheit zu sägen.
Es war wirklich ein Elend mit dem Typen. Er war im Grunde wie ein Kaninchen, das weder schlau noch willensstark genug war, sich zu retten, geschweige denn die Frau. Jetzt, nachdem er gescheitert war, war sein Kampfgeist wahrscheinlich gebrochen.
Die Frau hingegen machte einen anderen Eindruck. Anfangs wie ein Lamm, zeigte sie sich jetzt wie eine Löwin. Sowas geschah öfter mit Menschen. Unglück erzeugte Mut, Durchtriebenheit, Hartnäckigkeit und grimmige Entschlossenheit. Sie war mit auf die Jagd gegangen, hatte den ganzen Tag durchgestanden und auf der Rückfahrt im Schlauchboot sogar die Nerven gehabt zu lachen. Sie hatte noch eine Chance, während für den Mann schon alles verloren war. Wusste sie, was ihr bevorstand? Wahrscheinlich. Sie sah genügend ängstlich, genügend misstrauisch aus, um intelligent zu sein. Heute Nacht, gerade jetzt, wird sie wohl mit ihnen schlafen. Ihr krankes, verdrehtes, fast homosexuelles Ritual mitmachen.
Da war der eine, kurze Moment vor nicht allzu langer Zeit gewesen, als er im Blickfeld seines Visiers behoste Beine im Wohnzimmer, auf dem Boden gesehen hatte, eingerahmt vom dunklen Küchenfenster und der Tür. Sie ragten aus Richtung des Esstischs ins Bild, dann vermischten sie sich mit den Beinen der Frau, dann mit denen eines anderen Mannes, wahrscheinlich Greg. Schließlich zeigten sich Arts Beine, der dastand und der den anderen dabei zusah, als sie versuchten, sich zu entwirren. Dann rollten die drei Körper in sein Blickfeld, ineinander verstrickt, kitzelten sich die drei wie Kinder und lachten unkontrolliert. Als sie aufzustehen versuchten, fiel die Frau hin. Sie war offensichtlich total betrunken.
Er bekämpfte das immer stärker werdende Unbehagen, das von seiner verkrampften Position hervorgerufen wurde. Er atmete tief ein und rückte seinen vorgebeugten Oberkörper zurecht, den er auf die Ellbogen gestützt hatte, während er leicht die Beine bewegte, um die Steifheit in seinen Hüften zu lindern, ohne dabei die Arme zu bewegen, welche zwei der drei Stützen bildeten, auf denen seine Holland & Holland mit dem tiefmontierten Zielfernrohr ruhte. Die dritte Stütze, die ausklappbare Gewehrauflage, war in den dünnen Schiefer zwischen zwei der verwitterten Felsen gerammt, die sein Versteck bildeten. Er lag am höchsten Punkt des Steilufers.
Er sah, wie das Licht im Wohnzimmer der Hütte plötzlich ausging, und dann war nur noch das schwache Glimmen des sterbenden Kaminfeuers wahrnehmbar.
Geduldig wartete er. Die Gefahr war vorbei. Nur das Training bewirkte, dass er sich so verhielt, die Disziplin, die er sich im Laufe der Jahre anerzogen hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie seine Anwesenheit ahnten, war eins zu einer Million. Aber ein Eins-zu-einer-Million-Schuss konnte ihn genauso töten wie ein Fünf-zu-eins-Schuss. Was das anging, genügte ein dummer Zufall.
Minuten vergingen; die Erde wurde kälter und feindlicher. Der Wind ging böig, und die Sterne waren eisige Nadelköpfe, die sich über ihn lustig machten. In der Hütte regte sich nichts mehr. Kein verräterischer Schatten löste sich aus der Dunkelheit der Eingangstür oder einem der hinteren
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