Jagdzeit
gewinnen.“
„Könnte ich etwas Wasser haben?“, fragte Martin. Seine Stim me war wieder kalt und geschäftsmäßig.
Ken erhob sich, nahm schweigend eine kleine Feldflasche von einem Haken an der Wand und gab sie ihm. Martin nahm sie und ging langsam rückwärts zur Tür.
Endlich hörte Nancy sich selbst sagen: „Ken, nein!“ Sie fing an zu weinen.
„Geh schon, Nancy“, sagte Greg. „Hör auf.“ Er hörte sich unbehaglich an und sah auch so aus.
„Ken! Letzte Nacht habe ich nicht versucht wegzulaufen.
Ich hätte den Schlüssel für die Kette stehlen können, und ich habe es nicht getan, nicht wahr? Gestern Nacht war so, weil ich es wollte.“ Sie wandte sich Greg und Art zu, versuchte, sie durch ihre Tränen hindurch anzusehen. „Und dich auch. Euch beide. Ich wollte es gestern Nacht.“
Greg zuckte die Achseln. „Sicher. Wir hatten Spaß.“
„Es könnte mehr solcher Nächte geben. Ich würde nichts sagen. Zuhause könnte ich für euch alle da sein, wann immer ihr wollt.“ Sie klammerte sich an Ken. „Ken, hör mir zu.“
Er schob ihre Arme weg und sagte: „Sieh mal, Nancy. So ist die Sache nun mal, und du verschwendest nur Zeit. Ich werde es mir nicht anders überlegen. Greg nicht. Und Art auch nicht.“
Brutal fügte Art hinzu: „Hör mal, kleines Mädchen, willst du es schriftlich? Du bist gefüttert und gefickt worden. Jetzt hau ab.“
„Ken!“ Erneut schlang sie die Arme um ihn. Finsteres und kaltes Entsetzen packte sie, und Ken schien unendlich weit entfernt von ihr zu sein.
Sie hörte, wie Arts Stimme lauter wurde, schrill vor Ungeduld. „Ken, würdest du bitte dieses blöde Flittchen von hier entfernen?“
„Komm schon, Nancy. Los geht’s.“
Sie fand sich draußen wieder. Da war Martin, schon halbwegs die Stufen der Terrasse hinunter. Konnte er helfen? Irgendwie? Warum ging er so ruhig weg?
„Martin!“
Er drehte sich nicht um. Er überquerte die Lichtung, beschleunigte seine Schritte. Noch rannte er nicht. Die Freude wollte er ihnen nicht machen.
Art erschien neben Ken. Mit seinem Gewehr. Sie kam nicht auf die Füße. Sie versuchte es, aber ihre Knie gehorchten ihr nicht. Sie kroch zu Ken. Wenn er ihr nur erlaubte, seine Füße zu küssen. „Ken, ich tue alles.“
Sie hörte seine wütende Antwort. „Verfickt noch mal, hau ab!“
Und dann war Art über ihr, mit wilden Tritten und Schlägen. Sie krachte mit dem Rücken gegen die glatten Steine der Terrassenstufen. Benommen setzte sie sich auf.
Arts Gewehr krachte ohrenbetäubend. Etwas peitschte und brannte an ihrem Schädel. Dann sah sie klar. Ken sah auf sie herab, mit eisigem Blick und weiß vor Zorn; Art lachte, eine krankhafte Grimasse. Er hatte direkt neben ihrem Kopf in den Boden geschossen. Blut floss aus der kleinen Schürfwunde unter ihrem Haar. Greg erschien in der Tür und steckte eine Patrone ins Magazin seines eigenen Gewehrs.
Das waren dieselben fremden Männer, die Martin und sie angehalten und gezwungen hatten, in ihren Kombi zu steigen.
Sie stand abrupt auf. Alles kam zurück zu ihr aus einer großen Entfernung und wurde kristallklar.
„Ihr widerlichen Scheißkerle“, sagte sie. „Ich weiß nicht, wie ihr für all das zahlen werdet. Aber ihr werdet zahlen. Ihr alle drei. Ihr seid nichts als Abschaum.“
Sie spuckte auf die Steinstufen.
Sie drehte sich um und begann, Martin zu folgen. Gregs Flinte krachte, aber sie zuckte nicht zusammen. Sie wusste, dass sie nicht auf sie schießen würden. Noch nicht. Sie waren nur wie der Mob, der dem Nigger noch ein bisschen Angst einflößt, bevor er Seil, Benzin und Streichhölzer rausholt. Noch mehr Schüsse, Dreck spritzte auf und drang in ihre Hosenbeine, zerkratzte ihr Fleisch.
Sie ging weiter.
15
Art goss Kaffee aus der Espressokanne und sagte: „Ich finde nicht, dass du ihnen die zusätzlichen zehn Minuten hättest geben sollen.“ Er hatte ihre Tassen herausgebracht, und sie saßen alle drei auf den Stufen und genossen die Wärme der aufgehenden Sonne. Es würde wieder ein wunderschöner Tag werden. In der Nähe der Mühle stritten einige Krähen; blaue Eichelhäher schwatzten; der See hatte die gleiche Farbe wie der Himmel und spiegelte die Mauer immergrüner Bäume am Ostufer in allen dunklen Einzelheiten. Weit entfernt darüber, sehr hoch, kreiste ein Habicht.
„Warum nicht?“, fragte Ken.
„Weil der Kerl nicht so blöd ist, wie er aussieht.“
Ken dachte darüber nach. Vielleicht hatte Art Recht. Da war etwas in Martins Augen
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