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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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zwar. Auch das Wandern in Polen, es war ihm eingefallen ohne sie. Sie mag gewartet haben auf seinen Wunsch, noch einmal dahin zu reisen, »wo du geheiratet hast«; sie hat sich versagt, ihn dazu zu überreden.
    Wie hätte denn Alex verfallen sollen auf das aberwitzige Vertrauen, Anita könne ihn bei der Hand nehmen und aus dem Lande führen, wohin er wünscht? Selbst ist der Mann, und läßt sich im Hafen von Stettin betreffen bei erwiesenem Versuch, ein sozialistisches Vaterland hinter sich zu lassen nach eigenem Gutdünken. Alex ist verurteilt zu drei Jahren in einem Gefängnis in Sachsen, von daher darf er schreiben nach Gneez; Anita geht leer aus.
    Was schreibt uns Anita, als fehlten ihr Sorgen? Sie lädt Marie ein, in Westberlin zu leben für die Zeit der tschechoslowakischen Arbeit. Sie lockt mit einer amerikanischen Schule in Westberlin; sie verspricht, einen Haushalt zu führen zu ganz regelmäßigen Zeiten, ohne Reisen. Anita ohne Reisen. Sie bittet um den Besuch Maries, ihrem Englisch zuliebe.
    Als sei auch sie verabredet, mir die Č. S. S. R. darzustellen als ein Land, dahin nimmt man kein Kind mit; das gibt man einer Patin.
    25. Juli, 1968 Donnerstag
    Damit die sowjetischen Truppen ja davon abstehen, anzurücken zum Schutz der tschechoslowakischen Grenze, zeigt ihnen das prager Fernsehen, was da schon bereit steht an heimischen Panzern, Hunden und Stacheldraht. Die westdeutsche Regierung will die Manöver, die sie für Mitte September nahe dieser Grenze geplant hatte, bei Grafenwöhr und Hohenfels, verlegen in die Gegend von Münsingen und des Heuberges, um 200 bis 250 Kilometer. Damit die Rote Armee sorglos abrücken kann in ihre Heimatquartiere, in östlicher Richtung.
    Vor Ende des Schuljahres 1949/1950 wurde Herr Dr. Julius Kliefoth seines Amtes als Rektor der Fritz Reuter-Oberschule enthoben. Seine Schüler mußten auskommen ohne eine amtliche Begründung; sollten sie bei Kliefoth ein ungenügendes Lernverhalten annehmen?
    Störrisch war Kliefoth. 1947 ins gneezer Schulamt gebeten zur Entgegennahme eines Lebensmittelpaketes, damit wenigstens ein Dienststellenleiter versorgt sei inmitten heißhungriger Kinder, verbat er sich Bevorzugung; er soll das Wort Bestechung verwendet haben, verblüfft wie er war. Ein Jahr später, im März 1948, kam die Deutsche Verwaltung für Volksbildung ihm amtlich, im Auftrag der Sowjetischen Militär-Administration verordnete sie ihm eine Erhöhung seines Gehalts und Bezugscheine über die Lebensmittelkarte hinaus, auch Vorzugskredite für den Fall, er wolle sich ein Eigenheim bauen. Dies sollte Leute wie ihn abhalten, eine Hütte in den westlichen Besatzungszonen zu errichten. Kliefoth wäre gern auf zehn Tage nach England gefahren. Hingewiesen auf seinen Rang in der Verwaltung des Schulwesens und seine unpassende Unterkunft in einem Untermietzimmer an der Feldstraße von Jerichow, verweigerte er einen Umzug in eine Wohnung ganz für ihn allein am Domhof von Gneez; kam mit dem Milchholerzug zur Arbeit, fuhr oft erst abends zurück auf dem blanken Holz der unbeheizten Abteile und konnte von Glück sagen, wenn er Öl hatte erstehen können für seine Lampe. Nun entbehrte das mecklenburgische Ministerium für Volksbildung einer Handhabe, ihn zu erinnern an empfangene Gunst. Kliefoth wier ’n ollen Murrjahn, an ’t Enn müßt hei sick doch gewen.
    Auch das Innenministerium von Mecklenburg war enttäuscht von Kliefoth. Am 15. und 16. Mai 1949 war er beordert ins Rathaus Gneez, als da abgestimmt werden sollte über den dritten Deutschen Volkskongreß. Es war eine historische Veranstaltung, da sie das Wort Wahl beispielhaft verfehlte und hinauslief auf eine Alternative. Denn die Frage lautete schlicht, ob ein Wahlberechtigter für den Frieden sei oder dagegen, bitte wie beliebt; ein Ja jedoch setzte eine Einheitsliste ein, einen Block der vorhandenen Parteien, so daß ein Unmut gegen die Kommunisten, sei es wegen der Abschnürung Westberlins, gleich auch die Mandate der Freien Deutschen Jugend schädigen würde, oder eine Vorliebe für die Partei der Sowjetunion, etwa weil sie seit drei Tagen wieder Lebensmittel und Arbeitsmaterial in jene Stadt ließ, ebenso unbesehen dem Kulturbund nützen. Kliefoth war Beamter; in seiner Unschuld entging ihm, daß die Behörden einen Vorteil wünschten von dem bürgerlichen Vertrauen, es werde doch reinlich zugehen, wo unsn Julius die Aufsicht führte, disse studierte Respektsperson. Gewiß legte Kliefoth die Ohren steif an; gebunden

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