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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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trockenen aber faltenlosen Stirn mit den sanften Sommersprossen, von den Lippen, von der ungetümen bläulich verglasten Sonnenbrille, die ihm dies Gesicht aber verdeckte. Das mag er? da muß er was tun.
    Über der Anstrengung, mit Blicken in die Zeitung die Blicke zur Seite zu leugnen, hatte er das Kind entlaufen lassen, das er mit sich führte, das könnte Drea sein. Auf der Suche nach diesem Kind sahen wir ihn fast hilflos zwischen den Spielmöbeln des Platzes irren, quer und rundherum, und er war schon halb die Stufen zum Riverside Drive hoch, als ihm gelang, was versucht zu haben er bestreiten würde: die Frau winkte ihm.
    Sie hob ihre Hand und schlenkerte sie an steifem Arm, bis er sie sah und sie ihm sein Kind in einer Drahtecke beim Wassertrinken zeigen konnte, sie war auch schon da gewesen und hat dem Kind etwas gesagt und war auf ihren Platz zurück gelangt, ehe er an der Fontäne stand.
    Mit seinem Kind an der Hand ging er auf die Frau zu und erklärte ihr: She did not understand you. She doesn’t understand English. Sie nickte. Ihr eigenes Kind saß ihr unter dem Arm, sie bewegte den Arm leicht. Sie war zur Not beschäftigt. In der anderen Hand hielt sie, wartend, ihre Zeitschrift, beide betrachteten ihn und sein Kind geduldig.
    Wir haben ihn schon gewitzter gesehen. Er stand wie mit den Sohlen auf den Betonboden geklebt. Er hatte ein Gespräch angefangen, er wollte es länger machen. – Thank you: sagte er; statt von ihr eine Zeitschrift zu borgen. Die Frau machte Hm zweimal so endgültig, daß er endlich sich wegziehen ließ vom eigenen Kind.
    Später sah ich ihn von seiner Bank wehrlos der Frau entgegenblicken, die an ihm vorbei zum Eismann ging, der eben seine Karre draußen auf dem Parkweg angehalten hatte; ich lief ihm genau in den Blick, der ihrem kräftigen und zierlichen Gesäß galt.
    Später betat er sich an den Schaukeln mit seinem Kind, zwei Plätze von ihm entfernt die Frau mit dem ihren, und verpaßte gelegentlich den Abstoß seiner Schaukel über dem Bemühen, sich für ein paar Wochen als Vorrat einzuprägen, wie sie den Kasten mit ihrem Kind in ihre erhobenen Hände schlagen ließ und mit einem festen kleinen Druck wieder in die Luft schickte, der bildete sich nur geringfügig ab in ihren schönen nackten Füßen.
    Er war noch da, als alle Welt zum Abendbrot ging; als ich mich gegen neun ans Fenster setzte, konnte ich durch einen freien Raum im Laub den jungen Herrn stehen sehen in seinem ausgesuchten Wollhemd und suchen mit hochgerecktem Kinn; und hätte er mich ein paar Stunden vorher erkannt –
    (aber Mrs. Cresspahl trägt ihre Sonnenbrille vor den Augen, in der Kleidtasche, nie in die Haare geschoben. Da ölige Stoffe im Haar entstehen und sich abbilden können auf dem Glas, was dann gleich jeder ansehen muß als offenbare Schmutzigkeit, er muß bloß hinter einem stehen)
    – wäre ich in der Lage, vielleicht auch bereit gewesen, ihm zu sagen, daß er sie vor nächstem Sonnabend vergeblich erwartet, und wird er das wohl herausbringen in seinem dringenden Verlangen, auch dieser Dame nur ein einziges Mal die Sonnenbrille abzunehmen und ihr zu sagen, was ihm unverhofft einfallen wird?
    Da war die Versuchung, auf die Straße hinunterzutreten, sich zu erkennen zu geben, Mr. Kristlein einzuladen auf eine nächtliche Tasse, ein Glas auf den Weg. Rechtzeitig fiel Mrs. Cresspahl ein, daß eine andere gemeint ist, daß er einen anderen Vorhang aufheben möchte. Den dürfen wir laufen lassen, denn das wird er zuverlässig versuchen.
    Und mit den Fingern schnicken, so in einem Jahr.
    4. August, 1968 Sunday South Ferry Day
    – Gesine! du hast dir die Platte mit Variationen für den Schüler Goldberg angehört bis nach Mitternacht. Das Quodlibet zweimal!
    – Versógelicke. Über uns im Haus war eine Party im Gang, da wollt ich meinen eigenen Krach.
    – Reingefallen! Du dachtest, ich wollt streiten mit dir! Gut geträumt hab ich von der Musik.
    – Marie, ich möcht mit dir wetten: erst von Ende Oktober an streiten wir mit einander.
    – Wetten, daß ich gewinne?
     
    Das Communiqué der Sowjetunion mit ihren Schützlingen aus Bratislava, man kann es wenden und drehen, es steht doch nur drin was sie seit je aufsagen, von den sozialistischen Errungenschaften bis zur westdeutschen Sucht nach Revanche. Am Schluß ein mildes Bekenntnis aller zur nationalen Selbstbestimmung, ohne die Tschechoslowakei zu erwähnen. Die Sowjets versprechen, ihre letzten 16 000 Soldaten abzuziehen. Die Zensur

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