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Jahrestage  4. Aus dem Leben von  Gesine Cresspahl

Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 4. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Johsohn
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sengeheiße, weiße Straße Stalins.
    Die Schülerin Cresspahl mochte ihren Vater zurückbekommen haben; entging ihr denn ganz, was für einen? Der war zum Arbeiten gar schlecht imstande, aus dessen Verdienst war kaum das Schulgeld zu erwarten; sie aber betrug sich aufgeweckt, fröhlich geradezu, als sei ihr das so recht.
    Cresspahl war wahrhaftig mit noch anderen Auflagen entlassen worden als der Meldepflicht, so der, aus den ihm weggenommenen Maschinen einen Betrieb für Holzbearbeitung aufzubauen und ihn als Treuhänder zu verwalten. Sogar das Telefon, ehemals eingezogen als Instrument seines geschäftlichen Eigentums, wurde ihm von Technikern aus Gneez wieder montiert wegen der anderen Volkswirtschaft, obendrein mit der gewohnten Nummer 209. Nur waren die Maschinen, die er im April 1945 in einen Trockenschuppen der Ziegelei gefahren hatte, da nicht zu finden. Dicht an der Kommandantur, unter den Augen der sowjetischen Militärpolizei, hinter zweizölliger Tür und unentweihtem Schloß waren sie verschwunden, von der Hobelbank und Tellerschleifmaschine bis zu den winzigsten Sägen und Zwingen, besenrein geradezu war die Kammer zurückgeblieben. Da standen die noblen Zwillinge Wendennych verdutzt, in der Hand die Verzeichnisse des S. M. T. Schwerin, blamiert vor dem enteigneten Deutschen, den ein Urteil ihrer eigenen Armeegerichtsbarkeit von dieser Straftat entlastete. Da sie, aus beruflichen Gründen, an Gespenster nicht glaubten, traten Ende Mai 1948 Fahnder der Wirtschaftskommission in viele Werkstätten nördlich der Linie Gneez-Bützow, fanden in einer Tischlerei von Kröpelin eine Zinkmaschine, auf dem Seegrenzschlachthof von Wismar, jetzt volkseigene Schiffsreparaturwerft, einen Rohölmotor und dazu Ankaufsverträge, deren Vorgeschichte immer kurz vor einem Major Pontij, einem Leutnant Vassarion dunkel wurde, also ein Geschäftsgebaren unter nächtlichen Umständen, per Handschlag und besiegelt durch unzulängliche Schriftlichkeiten. Cresspahl bekam wilde Briefe von Kollegen, die einmal mit Arbeit oder Sachwerten bezahlt hatten für die Apparate, die jetzt die Staatsanwaltschaft Gneez nach Jerichow abfahren ließ. Da wollte er es zufrieden sein, daß die aufgespürten Maschinen noch Mitte Juni nicht ausreichten zu einem Betrieb, und wehrte sich kein bißchen, als die Post ihm das Telefon wieder abschraubte, nachdem die halbe Ziegelei an einem feuchten Sonntagmorgen abgebrannt war. Mochte die Ehre der Roten Armee nun abermals in reinem Glanze erstrahlen; er war vor solcher Treuhänderschaft bewahrt. Die Gebrüder Wendennych hatten die verspätete Feuerwehr von dem heller brennenden Haupttor wegbeordert auf Cresspahls Hof, so daß sie zwar das Haus seiner Tochter aus der Gefahr hielten, nicht aber die künftige Werkstatt retten konnten. Die Staatsanwaltschaft fand in den Trümmern genügend ausgeglühtes Eisen zu ihrer Beruhigung und sah ab von einer Vernehmung Cresspahls, nachdem er sie auf die Zuständigkeit der Ortskommandanten verweisen mußte. Was auch hätte er sagen können? Die Herren Kommandanten, geschniegelt und duftend, waren mit untadeligen Entschuldigungen bei ihm eingetreten und hatten noch Kaffee angenommen, immer streng im Stehen, nachdem sie ihn auf den Rauch in der Luft hinwiesen. In der Volkszeitung wurde das Unglück berichtet als ein Anschlag gewissenloser, weltfriedensfeindlicher Elemente im Dienste des amerikanischen Imperialismus, in Jerichow war die Rede von Cresspahls Erfahrung im Umgang mit Feuer seit November 1938, und kein Mal wieder waren die Zwillinge zu vertraulichem Besuch bei Cresspahl, wie sie die Deutschen ja regelmäßig fernhielten von ihrer Residenz und Person.
    Gesine war es recht. Einmal hatte ihr nichts geschehen können von dem Feuer, da sie für jene Nacht aus ihrem Zimmer in das von Frau Abs, auf der anderen Seite des Flurs, quartiert worden war. Zum anderen hoffte sie nicht ernstlich auf jene Zeiten, da Cresspahl einen Schreibtisch, Eichenplatte mit zwei Unterschränken, auf die Schultern gehoben hatte und mit dem ungefügen Trumm durch ganz Jerichow gegangen war und Treppen hinauf bis zu dem genauen Fleck in Dr. Kliefoths Arbeitszimmer, wo das Bestellte stehen sollte. Jetzt hätte Cresspahl kaum treuhänderisch Aufsicht führen können über eine Werkstatt. Sie sah ihn auf dem Hof beim Häufeln der Kartoffeln, die Jerichows wendige Feuerwehr nicht plattgefahren, weggetrampelt hatte; er hielt die Hacke steif, bewegte sich langsam, mit hängendem Kopf. Aber

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